Noventi-Chef Mark Böhm im Interview

„Das E-Rezept macht die Abrechnung nicht billiger“

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Berlin -

Noventi hat aufgeräumt und blickt der anstehenden Refinanzierung angesichts des Ergebnisses des abgelaufenen Geschäftsjahres positiv entgegen. Gegenüber APOTHEKE ADHOC erklärt CEO Mark Böhm, wie es um die Finanzen steht, warum die Abrechnung trotz E-Rezept für Inhaberinnen und Inhaber nicht günstiger wird und was Künstliche Intelligenz (KI) für Apotheken leisten kann.

ADHOC: Zwei Jahre nach der Krise: Wo steht Noventi heute?
BÖHM: Nachdem wir 2022 aufgeräumt haben und 2023 ein Übergangsjahr war, waren wir im vergangenen Jahr wieder positiv. Genau wie von uns angekündigt. Wir werden also in 2024 ein positives Ergebnis haben. Die genauen Zahlen werden wie gewohnt im Juni veröffentlicht. Was ich jetzt schon sagen kann, ist, dass wir unsere Ziele erreichen werden und uns im sicheren Fahrwasser befinden. Die Apotheken brauchen Stabilität und Sicherheit – sie haben genug Umbruch. Auf uns kann man sich verlassen.

ADHOC: Sie müssen aber die Refinanzierung noch hinbekommen?
BÖHM: Wichtig ist zuerst zu sagen: Der Konsortialkredit hat nichts mit der Umstrukturierung und Neuaufstellung zu tun, sondern ist das ganz normale Prozedere für den Geschäftsbetrieb eines Abrechnungsunternehmens. Ein Konsortialkredit wird für die Vorfinanzierung der Rezepte benötigt und wird alle drei Jahre erneuert. Wir befinden uns in der normalen Abstimmung und informieren natürlich gerne, sobald wir Vollzug melden können.

ADHOC: Der Eigentümerverein FSA ist seit Kurzem nicht mehr direkt an Noventi beteiligt. Was bedeutet das?
BÖHM: Die Noventi Beteiligungsverwaltung ist eine Gesellschaft des FSA, die als neue Konzernobergesellschaft 100 Prozent der Aktien an Noventi Health hält. Noventi ist und bleibt damit apothekereigen. Der Einzug der Gesellschaft in den Konzern erfolgte auf Basis und in Verbindung mit einer externen Unternehmensbewertung im Rahmen der Fokussierung 2025. Die apothekereigene DNA von Noventi bleibt also unberührt.

ADHOC: Warum wird eigentlich die Abrechnung für Apotheken mit dem E-Rezept nicht günstiger?
BÖHM: Die Verarbeitung des Papier- sowie E-Rezepts ist vom Prüfaufwand her nahezu identisch. Prüfmechanismen und manuelle Korrekturen gibt es auch beim E-Rezept. Hohe manuelle Aufwände in der Abrechnung entstehen vor allem jenseits der Standardrezepte, zum Beispiel für Betäubungsmittel, bestimmte Pflegehilfsmittel und Hochpreiser. Diese sind entweder gar nicht E-Rezept-fähig oder es wird hierfür nicht genutzt.

Die Strukturen, um das Papierrezept zu verarbeiten, sind unverändert und müssen mit nahezu gleichem Personalbestand weiter betrieben werden.

Wir erhalten 25 Prozent der Belege – Stand heute – immer noch als Papierrezept. Konkret bedeutet das: Die Strukturen, um das Papierrezept zu verarbeiten, sind unverändert und müssen mit nahezu gleichem Personalbestand weiter betrieben werden. Zudem haben sich die Kosten für die Vorfinanzierung durch das E-Rezept nicht verändert. Ebenso steht es um das Handling von Herstellerrabatten, Retaxationen, Geldeingangskontrollen sowie das Mahnwesen – diese sind auch mit dem E-Rezept unverändert notwendig und im Aufwand gleich.

ADHOC: Wirkt sich die Einführung des E-Rezepts auf die Abrechnung aus?
BÖHM: Wir haben 2024 ein stabiles Jahr und werden vom Abrechnungsvolumen her ein ähnliches Niveau wie im Vorjahr sehen. Man muss klar sagen, dass auch CardLink nicht die Welt verändert hat. Natürlich sehen wir eine Wanderung von Rezepten, aber nicht in einem Ausmaß, mit dem man Ängste schüren sollte.

Es ist unklar, wie bei der Direktabrechnung der höhere Aufwand von den einzelnen Apotheken bewerkstelligt werden soll.

ADHOC: Wie bewerten Sie zusätzliche Konkurrenz wie die Direktabrechnung?
BÖHM: Apotheken müssen Partner an ihrer Seite haben, die ihnen helfen, Prozesse zu verschlanken. Es ist unklar, wie bei der Direktabrechnung der höhere Aufwand von den einzelnen Apotheken bewerkstelligt werden soll. Schon jetzt gibt es zu wenig Personal in den Apotheken. Wir bieten alles aus einer Hand, einen klaren Liquiditätsvorteil und vor allem Finanz-Sicherheit für jeden Apotheker.

ADHOC: Die Apotheken werden auch von dm angegriffen, wie bewerten Sie das?
BÖHM: Man muss aufpassen, was im Markt passiert, gerade weil viele neue Player in den Markt wollen. Wir haben ein gutes System und wir werben für unser heutiges Apothekensystem. Wenn man die Apotheke immer weiter untergräbt, wird die Versorgung schlechter und weniger. Die Frage ist doch, wie wird denjenigen geholfen, die wirklich krank sind und die sofort Arzneimittel und eine persönliche Beratung brauchen? Denen hilft der Versand nicht. Wichtig ist, dass die Apotheken sich off- und online gut aufstellen. Als apothekereigenes Unternehmen unterstützen wir die wohnortnahen Apotheken zu jeder Zeit.

Wir sind vor zwei Jahren – berechtigt – in die Kritik geraten, die vergangenen beiden Jahre waren natürlich anstrengend.

ADHOC: Was treibt Noventi in diesem Jahr um?
BÖHM: Unser größtes Anliegen ist es, das Vertrauen im Markt zurückzugewinnen. Wir sind vor zwei Jahren – berechtigt – in die Kritik geraten, die vergangenen beiden Jahre waren natürlich anstrengend. Es freut uns daher umso mehr, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Riesenjob gemacht haben. Wir haben die Wende geschafft, insbesondere im Kundenservice, trotz 20 Prozent weniger Personal mit einer neuen Struktur einer neuen Aufstellung und verbesserten Prozessen. Der Kundenservice wurde in einen Bereich zusammengelegt. Das, was unsere Schwäche war, ist jetzt unsere Stärke. Gerade in der Abrechnung sind wir mit der tagesaktuellen Bearbeitung von Kundenanliegen und einer 98-prozentigen Erreichbarkeit Qualitätsführer. Das wollen wir auch in der Warenwirtschaft erreichen.

ADHOC: Wie?
BÖHM: Wir müssen zunächst die Umstellung von fünf auf zwei Systeme fertigstellen. Jump läuft noch bis Mitte dieses Jahres. Das beschäftigt uns noch stark, danach sind Kapazitäten für Erweiterungen vorhanden. Wir müssen Funktionen einbauen, damit unsere Kunden zufrieden sind. Das dauert jedoch noch ein bisschen.

ADHOC: Welche Möglichkeiten gibt es?
BÖHM: Wir sehen, dass wir mit KI einen Mehrwert für die Kunden schaffen können. Noch gibt es kein Produkt von uns im Markt, aber wir arbeiten intern mit einem eigenen KI-Team an Lösungen. Bereits seit 2018 setzen wir erfolgreich KI in unseren Abrechnungsservices ein – insbesondere in der Rezept- und optischen Zeichenerkennung. Auch im Kundenservice wird KI eine Rolle spielen.

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