Der Arzneimittelversand konsolidiert sich. Investoren haben das Geschäft für sich entdeckt, klappern systematisch den Markt ab und haben apothekenrechtlich kreative Konstruktionen in der Aktentasche. In dieser Stimmung wird jede Bewegung genauestens beobachtet. Aktuell schielen alle Player darauf, wie es bei der EU-Versandapotheke weitergeht. Einige verteilen das Fell bereits, bevor der Bär erlegt ist.
Seit Ende Februar liegen Dr. Bettina Habicht und ihr Mann Sven Schumacher mit dem langjährigen Partner Phoenix im Clinch. Es geht um 5,4 Millionen Euro, die der Großhändler aus Lieferungen im Januar und Februar geltend macht. Seitens der Apothekerin gibt es Gegenforderungen in Höhe von circa 4,6 Millionen Euro. Den Großteil davon soll der langjährige Finanzchef von Habicht im Januar 2014 ohne Erlaubnis an Phoenix gezahlt haben. Die Position im Verrechnungskonto soll wegen des Rekordgewinns in jenem Jahr erst nach dem Ausscheiden des Verantwortlichen im vergangenen Dezember aufgefallen sein.
Zwar konnten sie mit neuen Lieferanten – Sanacorp, Alliance und Gehe – den Geschäftsbetrieb seit März am Laufen halten. Doch angeblich liefert die Genossenschaft seit Ende Juli nicht mehr; Alliance schickt einmal in der Nacht einen LkW, Gehe ist als Defektlieferant im Geschäft.
Gegenüber den Mitarbeitern wurde der Wechsel mit verbesserten Konditionen begründet. Da in der Zwischenzeit aber die Sicherheit von einer Millionen Euro aufgebraucht war, soll Alliance vor zwei Wochen schriftlich angekündigt haben, auf Barzahlung umzustellen. Das Thema scheint derzeit vom Tisch zu sein. Keiner der Großhändler wollte sich auf Nachfrage zu dem Thema äußern.
Auch der Wechsel des Rechenzentrums war zunächst ein Befreiungsschlag. Vor dem Landgericht Cottbus konnte Habicht durchsetzen, dass Phoenix gegenüber den Krankenkassen keine Ansprüche mehr geltend machen darf. Doch tatsächlich sollen die Bestellungen 50 Prozent unter Vorjahresniveau liegen; Kunden beschweren sich über Verspätungen, die wohl auch der Zurückhaltung der Direktlieferanten geschuldet sein sollen.
Und wenn bei einem Mitspieler so viel Unruhe herrscht, ist es nicht verwunderlich, dass die Haie bereits unter der EU-Versandapotheke ihre Kreise ziehen. Etwa monatlich soll es Anfragen geben, ob das Geschäft zum Verkauf stehe. Steht es angeblich nicht.
Andere haben aber gar nicht die Absicht, in direkte Verkaufsverhandlungen zu treten. Dem Vernehmen nach gibt es bereits einen Deal, sollte der EU-Versandapotheke der Befreiungsschlag nicht gelingen. Habicht hatte im Prozess sehr offen von der drohenden Insolvenz gesprochen, sollte Phoenix sich mit allen Forderungen gegen sie durchsetzen. Das Gericht hatte bereits erklärt, dass es die Forderungen nach vorläufiger Prüfung für plausibel hält. Zu den Gegenforderungen wollten sich die Richter nicht äußern. Im November wird in Cottbus verhandelt.
Für den Fall einer Insolvenz gibt es Insidern zufolge einen Plan: Ein strategischer Investor will das Geschäft übernehmen. Da Phoenix in einem Insolvenzverfahren wohl der größte Gläubiger wäre, hätte der Großhändler das Heft des Handelns in der Hand. Tatsächlich soll es schon eine entsprechende Vereinbarung mit dem Interessenten geben. Die Partner warten quasi nur noch auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Aber davon will man bei der EU-Versandapotheke nichts wissen. Demnach seien die meisten von Phoenix zwischenzeitlich blockierten Gelder nach dem bisherigen Verlauf der Gerichtsverfahren freigegeben worden. Nur noch das Rechenzentrum ALG und die Techniker Krankenkasse halten demzufolge jeweils einen mittleren sechsstelligen Betrag zurück.
Doch die Forderung von Phoenix steht nach wie vor im Raum. Mit dem Ausgang dieses Verfahren steht und fällt alles. Ob die Schulden tatsächlich auf den früheren Besitzer Kurt Rieder abgewälzt werden können, muss ebenfalls noch geklärt werden. Der befindet sich selbst in einem Insolvenzverfahren.
APOTHEKE ADHOC Debatte