D-Mannose: EuGH muss entscheiden Nadine Tröbitscher, 05.10.2023 08:02 Uhr
Ist Femannose (D-Mannose) ein Arzneimittel oder ein Medizinprodukt? Darüber wird seit einigen Jahren verhandelt. Zuletzt lag der Fall beim Bundesgerichtshof. Jetzt – 2,5 Jahre später – wird das Verfahren ausgesetzt und der Europäische Gerichtshof soll darüber entscheiden, ob D-Mannose eine pharmakologische Wirkung zugesprochen werden kann oder nicht.
Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) war gegen den Vertrieb von Femannose vorgegangen. Das Präparat ist als Medizinprodukt zur Vorbeugung und unterstützenden Behandlung von Blasenentzündungen und Infektionen der Harnwege auf dem Markt. Enthalten ist D-Mannose. Der Einfachzucker wird vom Körper nicht verstoffwechselt und soll an die Härchen der Harnwegsentzündungen-auslösenden E-Coli-Bakterien binden, diese ummanteln und so neutralisieren. In der Folge können sich die pathogenen Keime nicht an den Schleimhäuten festsetzen und werden beim Wasserlassen hinausgespült.
Ist diese Wirkung rein physikalisch und Mannose damit als Medizinprodukt verkehrsfähig? Darüber wird seit mehreren Jahren gestritten. Auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens setzte sich nach dem Landgericht (LG) Köln auch das Oberlandesgericht (OLG) Köln intensiv mit den Mechanismen auseinander: Durch Blockade des bakteriellen Adhäsins FimH blockiert Mannose demnach die Bindung der Bakterien an die Zellmembran, insoweit werde in die physiologischen Abläufe des Bakteriums und in die pathophysiologischen Abläufe der Harnwegsinfektion eingegriffen und Beginn beziehungsweise Fortschreiten der Entzündung der Harnwege gehemmt. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass der klinische Stellenwert für Therapie und Prävention mangels ausreichender Datenlage unklar bleibe, so das OLG. Im Übrigen sprächen auch Aufmachung und Verbreitung des Produkts für eine Einstufung als Arzneimittel.
Revision wurde nicht zuzulassen. „Die rechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Abgrenzung eines Arzneimittels und eines Medizinproduktes stellen, sind vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen hinreichend geklärt“, so das Gericht mit Verweis auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Richter in Luxemburg hatten vor einigen Jahren im Zusammenhang mit Mundspüllösungen entschieden, dass eine pharmakologische Wirkung auch dann vorliegt, wenn eine Substanz mit irgendeinem zellulären Bestandteil im Körper des Anwenders interagiert – also etwa auf Bakterien, Viren oder Parasiten einwirkt.
EuGH ist gefragt
Klosterfrau hält unverändert Femannose N für ein rechtmäßig zertifiziertes Medizinprodukt und wollte die Rechtsauffassung beim BGH durchsetzen. Doch der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage vorgelegt: „Handelt es sich um eine pharmakologische Wirkung, wenn D-Mannose durch eine im Wege von Wasserstoffbrücken vermittelte reversible Bindung an Bakterien verhindert, dass sich die Bakterien an der Blasenwand binden?
So sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang noch nicht geklärt, nach welchen Kriterien pharmakologische und nicht-pharmakologische Mittel in Fällen abgegrenzt werden können, in denen die in Frage stehende Substanz von der Zielzelle nicht absorbiert wird, sondern nur eine temporäre Anbindung erfolgt, heißt es.
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein Produkt nur als Funktionsarzneimittel angesehen werden, wenn es aufgrund seiner Zusammensetzung und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann. Doch der Punkt ist für D-Mannose noch nicht abschließend geklärt. Denn die Revision mache geltend, dass
D-Mannose, lediglich auf physikalischem Weg reversibel an Bakterien binde, ohne diese abzutöten, und auch nicht mit der menschlichen Blasenchleimhaut interagiere.
Im Revisionsverfahren sei zu prüfen, ob ein Funktionsarzneimittel vorliege, weil das Berufungsgericht die Verurteilung nur hierauf gestützt habe.