Ihr Betriebssystem wechseln Apotheker nicht leichtfertig: Die Mitarbeiter sind eingearbeitet, Prozesse eingespielt und die Benutzeroberfläche vertraut. Das Softwarehaus Awinta tut sich daher seit Jahren schwer, sich von einzelnen EDV-Linien zu trennen, die durch Fusionen und Übernahmen in der Gruppe parallel laufen. Mit Awinta One hat der Marktführer jetzt einen Weg gefunden, die Apotheken allmählich in die gemeinsame neue Welt zu führen. Aber das kostet Zeit und Geld.
Derzeit gibt es fünf verschiedene Softwarelinien aus dem Hause Awinta: Asys, Infopharm, Jump, Pharmasoft und Prokas. Das ist auf Dauer kein Zustand für den Anbieter aus Bietigheim-Bissingen: Die permanenten und teilweise aufwändigen Updates müssen heute bei allen Systemen parallel eingepflegt werden, was Synergien innerhalb der eigentlich sehr großen Gruppe ausbremst.
Doch das Unternehmen fühlt sich auch seinem inoffiziellen Versprechen verpflichtet, keine laufenden EDV-Systeme abzuschalten, den Apothekern nicht „ihr“ System wegzunehmen. Nicht zuletzt birgt schließlich eine erzwungene Umstellung auch die Gefahr, dass sich der Kunde auf dem Markt ganz neu umsieht und das Softwarehaus wechselt.
Genau das soll mit Awinta One verhindert werden. Unter der Führung von Geschäftsführer Sven Bertram wurde eine ganze neue Software entwickelt, wobei Bausteine der verschiedenen Systeme in der Programmierung verwendet wurden. Der Clou: Die Oberflächen der alten Systeme sollen weiterhin verfügbar sein, während im Hintergrund die neue und deutliche schnellere Plattform arbeitet.
Als erstes wird Asys umgestellt, auch weil aus diesem System die wichtige Mehranwenderfähigkeit übernommen wurde. Mehrere Filialen miteinander verbinden konnte Asys als erste Software, mit dem Server von Awinta One im Hintergrund sollen Auswertungen und Online-Services künftig in noch höherer Qualität und in Echtzeit möglich sein. Über eine gesicherte Leitung sind auch Rechenzentrumsleistungen verfügbar.
Preisinformationsdienste und Updates müssen nicht mehr in jeder Apotheke aufgespielt werden, sondern können zentral gesteuert werden. Pflicht bei dieser Online-Lösung ist aber ein kleiner Rechner in jeder Apotheke, der die Datenbank spiegelt, damit die Apotheke auch bei einem Internetausfall weiter arbeiten kann.
Im ersten Quartal 2018 sollen die etwa 850 Asys-Kunden umgestellt werden. Wenn die Apotheker das „Klassik-Design“ wählen, behalten sie die gewohnte Ansicht von Asys – zumindest in den wichtigsten Funktionen. Etwa 80 Prozent der täglichen Arbeiten sollen damit abgedeckt sein. Bei eher speziellen Funktionen wird es künftig für alle Systeme nur noch die Optik von Awinta One geben.
Nach und nach sollen dann die weiteren Systeme entsprechend umgestellt werden. Awinta will sich dabei bewusst Zeit lassen, auch wenn die parallele Pflege der verschiedenen Systeme das Softwarehaus Geld kostet. „Wir können uns das nur leisten, weil wir ein apothekereigenes Unternehmen sind“, so Geschäftsführer Gordian Schöllhorn.
Was die Konkurrenz ärgern dürfte ist die sogenannte Vertreterfunktion. Denn Awinta One kann theoretisch auch die Wettbewerber abbilden. „Das ist technisch möglich“, bestätigt Bertram. Auch patentrechtlich gebe es keine Probleme. Der Wechsel zu Awinta könnte damit auch Kunden der Konkurrenz versüßt werden. Doch die Integration einer fremden Oberfläche bedeutet einen großen Aufwand.
Bei Awinta hat der Countdown begonnen. Allerdings wird es noch einige Jahre dauern, bis die alten Systeme im neuen aufgegangen sind. Das kann fünf Jahre dauern oder länger. Das Ziel heißt Awinta One. Das Programm hat einen Namen und der Name ist Programm.
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