Die Krise kennt viele Gewinnler und nicht alle arbeiten mit legalen Mitteln. Weltweit bieten derzeit illegale Online-Apotheken vermeintliche Medikamente gegen Covid-19 oder zum Schutz vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2, darunter auch bereits zugelassene Hoffnungsträger wie Chloroquin und Remdesivir. Das Problem ist so groß, dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nun davor warnt, bei zwielichtigen Versendern zu bestellen. Auch die europäische Polizeibehörde Europol, die Wettbewerbs- und Verbraucherzentralen wenden sich zunehmend an die Öffentlichkeit, um vor gefälschten Arzneimitteln und falschen Gesundheitsversprechen zu warnen.
Zahlreiche illegale Arzneimittelversender und sonstige Online-Händler versuchten derzeit „Ängste und Sorgen angesichts der fortdauernden Covid-19-Pandemie auszunutzen“, warnt die EMA in einer Mitteilung. „Händler behaupten, ihre Produkte könnten die Krankheit Covid-19 heilen oder eine Ansteckung verhindern, oder geben vor, Zugang zu zugelassenen Arzneimitteln zu haben, die ansonsten nicht einfach zu beschaffen sind. Bei solchen Produkten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um gefälschte Medikamente handelt.“ So werden derzeit auf zwielichtigen Seiten auch vermeintliches Chloroquin oder Remdesivir angeboten.
Von solchen Medikamenten gehe eine Gefahr aus, warnt die EMA. Die Händler würden oft vorgeben, dass sie „echt und zugelassen“ seien. Sie könnten aber falsche oder gar keine Wirkstoffe enthalten oder den richtigen Wirkstoff in der falschen Stärke. „Sie können auch gefährliche Stoffe enthalten, die in Arzneimitteln nicht vorkommen dürfen.“ Die Einnahme solcher Arzneimittel könne zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen oder zu einer Verschlimmerung der Krankheit im Falle einer Infektion. Die EMA rät deshalb, Arzneimittel entweder vor in Vor-Ort-Apotheken, Drogerien oder bei registrierten Versandapotheken zu kaufen. Bei letzteren solle immer auf das offizielle Siegel geachtet werden.
Gegen diejenigen, die nicht registriert sind und gefälschte Arzneimittel verkaufen, war die europäische Polizeibehörde erst Anfang des Monats wieder aktiv geworden: Vom 3. bis zum 10. März führten Kontroll- und Abfertigungseinheiten der Hauptzollämter von 90 Ländern erneut die internationale Operation Pangea gegen Arzneimittelschmuggel und -fälschung durch. Dabei wurden 121 Personen festgenommen, 37 kriminelle Organisationen zerschlagen und gefälschte oder gestohlene Arzneimittel im Wert von 13 Millionen Euro beschlagnahmt, insgesamt 48.000 Packungen mit 4,4 Millionen Einzeldosen.
Dabei sei in diesem Jahr aufgefallen, dass neben den üblichen Verdächtigen – Potenzmittel, Dopingpräparate, Schmerzmittel – besonders viele Arzneimittel mit Bezug zur Corona-Krise waren, darunter auch Chloroquin. „Die Pandemie hat neue Geschäftsmöglichkeiten für räuberische Kriminelle eröffnet”, schreibt Europol dazu. „Behörden rund um die Welt haben 34.000 gefälschte Atemschutzmasken sichergestellt, was sie zum meistverkauften Medizinprodukt im Internet macht. Polizeibehörden haben über 2000 Links zu Produkten identifiziert, die im Zusammenhang mit Covid-19 angeboten werden.“
Doch auch unterhalb der Strafverfolgungsbehörden steigt die Dringlichkeit der Warnungen. So warnt hierzulande die Wettbewerbszentrale vor irreführender Werbung für Gesundheitsprodukte, die Schutz vor dem Virus versprechen. „In den letzten Tagen und Wochen sehen wir leider einige Anbieter, die mit Bezug auf die Corona-Krise werben und hierbei klar gegen geltendes Recht verstoßen“, warnt Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied. So würden mit Aussagen wie „Corona-Infektion: Wie wir uns mit Vitalpilzen schützen können!“, „Lutschpastillen gegen Viren“ und „Bewährte praktische Tipps und Mittel gegen Viren, die auch funktionieren“ Verbraucher bewusst irregeführt und ihre Verunsicherung werde ausgenutzt, so die Wettbewerbszentrale.
Als Beispiel nennt sie Zeitungsanzeigen, in denen eine Firma mit einer Frau mit Atemschutzmaske für ein Vitamin-C angereichertes Lebensmittel geworben hatte. Darüber stand die Aussage: „Schützen Sie ihren Körper. Jetzt!“. Durch die Kombination aus Aussage und dem plakativen Bild der Frau mit Atemmaske solle gezielt die Aufmerksamkeit der Verbraucher erreicht und suggeriert werden, mit der Einnahme lasse sich eine Infektion verhindern, kritisiert die Wettbewerbszentrale. „Krankheitsbezogene Aussagen sind in der Werbung für Lebensmittel jedoch verboten. Ihnen dürfen keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zugeschrieben oder der Eindruck dieser Eigenschaften erzeugt werden.“
Auch die Verbraucherzentralen haben immer mehr mit fragwürdigen bis abwegigen Angeboten zu tun. In der Bevölkerung wachse vor allem unter älteren Menschen immer mehr die Verunsicherung, berichtet beispielsweise die Verbraucherzentrale Brandenburg: „Und hier springen jetzt immer mehr Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln scheinbar in die Bresche, werden im Internet die absurdesten Ideen verbreitet. Bisher war das nur im englischsprachigen Raum festzustellen, jetzt nimmt dieses Vorgehen auch im deutschsprachigen Raum Fahrt auf.“ Unter anderem würden Nahrungsergänzungsmittel und Globuli, aber auch CBD-Produkte als Heilmittel feilgeboten.
So berichtet die Verbraucherzentrale beispielsweise davon, dass über einen regionalen Brandenburger E-Mail-Verteiler Werbung für homöopathische Globuli verbreitet wurde, die angeblich vor einer Sars-CoV-2-Infektion schützen. Laut dem Werbetext führen die Globuli dem Organismus „die Botschaft der Corona-Erkrankung in hoch-potenzierter Form“ zu. Dadurch entwickle das Immunsystem Antikörper, sodass sich bei einem realen Kontakt mit dem Virus die Gefahr einer Ansteckung verringere. Das Mittel könne man direkt online bei einer Apotheke aus Niedersachsen bestellen. Das Urteil der Verbraucherzentrale zu solchen Angeboten ist eindeutig: „Wir verurteilen Unternehmen, die die aktuelle Lage ausnutzen, um mit nicht belegbaren Aussagen oder Fake-News verunsicherten Verbrauchern das Geld aus der Tasche zu ziehen.“
Aber auch Händler von Nahrungsergänzungsmitteln würden demnach momentan versuchen, mit dubiosen Werbeversprechen an der Krise zu verdienen. Derzeit finde man bei einigen Ernährungsberatern, aber auch bei Reformhäusern Werbeaussagen zu antiviraler oder schützender Wirkung von Nahrungsergänzungsmittel mit Grüntee (beziehungsweise dem Inhaltsstoff Epigallocatechinagallat EGCG), Rhodiola (Rosenwurz), Cistus (Zistrosenkraut), Propolis, Kapuzinerkresse oder Schwarzer Johannisbeere (Blattknospen). Abwehrende Wirkungen würden auch für Nahrungsergänzungsmittel mit Kurkuma und Zimt suggeriert.
Auch hier warnt die Verbraucherzentrale: „Da dieser Virus erst seit kurzer Zeit bekannt ist, gibt es keinerlei Studien, die eine Wirksamkeit von bestimmten Pflanzen, Vitaminen oder Mineralstoffen dagegen beweisen. Zitierte Studien beziehen sich in der Regel auf andere (Corona-)Viren.“ Werbeaussagen wie „Es gibt bestimmte Pflanzen, Getränke und Vitamine, die du zu dir nehmen kannst, um jeden viralen und bakteriellen Eindringling abzuwehren, einschließlich des neuartigen Coronavirus“ , „schützt vor Viren“ oder „wehrt Viren ab“ würden eine falsche Sicherheit suggerieren und seien in Bezug auf Sars-CoV-2 wissenschaftlich nicht bewiesen.
Doch auch für die Esoterik- und Alternativmedizinszene scheint die aktuelle Pandemie wie gerufen zu kommen. Die Verbraucherzentrale warnt in dem Zusammenhang vor einem alten Bekannten aus diesem Kreis, dem berüchtigten „Miracle Mineral Supplement“ (MMS), auch als Chlordioxidlösung (CDL) bekannt. Aktuell würden im Internet Beiträge kursieren, denen zufolge die Lösung gegen eine Sars-CoV-2-Infektion hilft. Die Verbraucherzentrale warnt indes eindringlich vor einer Einnahme. „Das ist ein Desinfektionsmittel und dient zum Bleichen von Textilien! Nicht einnehmen, gefährlich! Davon einmal abgesehen nützt es auch nichts gegen das COVID-19-Virus.“
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