Der Streit um Mucosolvan Phyto Complete wird zur Blamage für alle Beteiligten. Erst präsentierte der Hersteller Sanofi im Eilverfahren einen rätselhaften und unvollständigen Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – und kassierte ein Vertriebsverbot. Jetzt war aber der Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft mit dem Hauptsacheverfahren zu spät dran – und wurde mit einem entscheidenden Argument nicht mehr gehört. Theoretisch könnte das umstrittene Produkt wieder auf den Markt kommen.
Der Schutzverband hatte bereits Anfang 2019 eine einstweilige Verfügung gegen Sanofi erwirkt, weil aus seiner Sicht kein Medizinprodukt, sondern ein zulassungspflichtiges Arzneimittel vorliegt. Der Konzern hatte den erst wenige Monate zuvor eingeführte Hustensaft daraufhin vom Markt nehmen müssen.
In der Folge stellte das Regierungspräsidium Darmstadt aber beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag auf Einstufung des Produkts. Der Bescheid kam im Oktober und fiel eigentlich zugunsten von Sanofi aus. Weil der Konzern aber nur eine geschwärzte Version zur Verfügung stellen wollte, entschieden im Dezember erst das Landgericht Frankfurt (LG) und im Juni schließlich das Oberlandesgericht (OLG) gegen den Hersteller.
Die Richter hatten der Argumentation des BfArM nicht folgen können: Einerseits sah man in Bonn, dass die Kriterien eines Präsentationsarzneimittels erfüllt seien. Andererseits stelle dies bei der Abgrenzung von Arzneimitteln zu Medizinprodukten aber kein abschließendes Einstufungskriterium dar, orakelte die Behörde. War die Lösung des Rätsels im Geschwärzten versteckt?
Im Hauptsacheverfahren rückte Sanofi nun doch den kompletten Bescheid heraus, und nun wussten die Richter zwar vielleicht immer noch nicht, was die Behörde gemeint hatte, konnten aber immerhin sicher sein, dass in den bislang unbekannten Passagen keine neuen Erkenntnisse zu finden waren. Damit war der Bescheid aus ihrer Sicht rechtskräftig – und Sanofi mit der nachträglich eingeholten Stellungnahme fein raus. Denn am Ende wog die Einschätzung der Behörde schwerer als die mehr als 50 Seiten, auf denen der Schutzverband zu den arzneimittelrechtlichen Umständen ausgeführt hatte.
Nun machte der Schutzverband einen entscheidenden Fehler, indem er im Oktober Klage in der Hauptsache erhob. Das war einerseits zu früh, um abschätzen zu können, wie die Sache mit dem BfArM-Bescheid im Eilverfahren ausgehen würde. Dann nämlich wäre zu erahnen gewesen, dass die Richter die vollständigen Unterlagen womöglich akzeptieren würden.
Andererseits war es aber auch zu spät, um nun plötzlich auch auf den Tatbestand der Irreführung abzuheben – sechs Monate nach Kenntnis tritt Verjährung ein. Die Richter monierten, dass sich der Verband in seinem allerersten Schriftsatz nur auf der letzten Seite auch mit § 5 UWG und § 3a HWG auseinandergesetzt hatte. Dies reiche nicht aus, um eine Irreführung zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, hieß es schon im Eilverfahren. Im Hauptsacheverfahren konnte dieser Aspekt nun gar nicht mehr eingebracht werden.
Sanofi will sich nicht in die Karten gucken lassen, wie es nach dem überraschenden Sieg mit dem Produkt weiter geht. Man begrüße die Entscheidung des LG Frankfurt in Bezug auf die Hauptsacheklage, so eine Sprecherin. „Grundsätzlich waren und sind wir davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht zu unserer weiteren Vorgehensweise äußern möchten.“
So oder so hat der Streit dem Konzern erheblich geschadet. Der Rückruf von geschätzt 200.000 Packungen hatte für Ärger in zahlreichen Apotheken gesorgt – und auch Umsatz gekostet: Nach Zahlen von Insight Health gingen die Abverkäufe der Marke Mucosolvan im vergangenen Jahr um 9 Prozent auf 48 Millionen Euro zurück.
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