Blaues Plasma: Wundpflaster aus Star Trek APOTHEKE ADHOC, 22.03.2019 09:29 Uhr
Es gibt Innovationen, bei denen spürt man, dass die Zukunft schon begonnen hat. Die Technologie von Coldplasmatech gehört dazu. Geschäftsführer Dr. Carsten Mahrenholz zeigte bei der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC, wie er die Wundversorgung mit seiner Entwicklung revolutionieren will.
„Was wir gemacht haben, ist, ein Gerät aus Star Trek aus der Science Fiction in die Wirklichkeit zu holen“, bringt es Mahrenholz auf den Punkt. Dabei sieht die Gerätschaft, die er mit seinem Start-up entwickelt hat, absolut unscheinbar aus: Ein kleiner weißer Kasten mit einem einzigen Knopf zum An- und Ausschalten. Über ein Kabel ist die Box mit einem Patch verbunden, der auf eine offene Wunde aufgelegt wird. Die Anwendungsanleitung für die Gerätschaft besteht aus gerade einmal vier Schritten: Wundauflage anschließen, Folie abziehen, auf die Wunde aufbringen, Gerät einschalten. Doch die Technik, die es beinhaltet, ist absolut disruptiv, denn Mahrenholz will damit die bisher gängige Wunddesinfektion über Bord werfen.
Der kleine Kasten erzeugt sogenanntes Kaltes Plasma. Man kennt diese Anwendung tatsächlich aus Star Trek. In der TV-Serie wurde eine ähnliche Gerätschaft zum Versiegeln von Wunden benutzt, Mahrenholz hat die Technologie nun in die Wirklichkeit und zur Anwendungsbereitschaft gebracht. „Bei Kaltem Plasma handelt es sich um einen Aggregatzustand, den ein Gas haben kann, wenn ich ihm genug Energie zuführe“, erklärte Mahrenholz in seinem Silent Lab bei VISION.A den Zuhörern. Dabei wird die normale Umgebungsluft durch Energiezufuhr ionisiert und bekommt neue Eigenschaften. Die wichtigste davon: Sie wird bioaktiv. Bakterien, Pilze und andere Keime tötet sie in Sekundenschnelle ab.
Mahrenholz sieht vor allem zwei große Anwendungsfelder: multiresistente Keime und chronische Wunden. Die Zunahme multiresistenter Keime wird nicht umsonst bereits als gesamtgesellschaftliche Bedrohung gesehen: „MRSA sind der Grund, warum wir wieder an der Schwelle zum Mittelalter stehen, nämlich kurz vor der Panresistenz, an der unsere heutigen Antibiotika nicht mehr weiterhelfen.“ Bei 16 Millionen Operationen in Deutschland herrscht vor allem in Krankenhäusern Angst vor den scheinbar unaufhaltsamen Keimen.
Eine ähnlich wachsende Bedeutung spielen chronische Wunden. Etwa vier Millionen chronische Wundpatienten gibt es bereits in Deutschland und jährlich rund 30.000 Amputationen. Mit nicht weniger als sechs Milliarden Euro Behandlungskosten im Jahr belastet das das Gesundheitssystem. Mahrenholz verspricht deshalb nicht nur neue Behandlungserfolge, sondern vor allem Einsparungen von rund 20 Prozent in der Wundbehandlung durch seine Erfindung.
Denn das inionisierte Gas hat nicht nur eine sterilisierende Wirkung – die bei der Abtötung keinen Unterschied zwischen „normalen“ und multiresistenten Keimen macht – sondern versetzt auch die körpereigenen Zellen in einen Stresszustand. Was erst einmal negativ klingt, hat eine überaus positive Wirkung: Dadurch werden nämlich biochemische Prozesse in Gang gesetzt, die unter anderem die Durchblutung und die Wundheilung rasant fördern. Mahrenholz kann das mit beeindruckenden Therapieerfolgen illustrieren, für die man allerdings einen starken Magen braucht. Chronische Wunden, die teils seit anderthalb Jahren behandelt wurden, habe sein Gerät innerhalb weniger Anwendungen in einen Heilungsprozess versetzen können.
Die Technik zur Erzeugung Blauen Plasmas hat Mahrenholz nicht erfunden. Doch bisherige Geräte konnten nur einen dünnen Plasmastrahl erzeugen, der nur winzige Flächen bearbeiten kann. Die Behandlung einer großflächigen Wunde hat dementsprechend viel Zeit in Angriff genommen. Coldplasmatech hat diese Technologie auf die Fläche ausgedehnt: In dem Wundpatch befindet sich ein Netz aus Kanälen, die die umgebende Luft über der Wunde ionisieren und so breitflächig wirken. Mit den 100 Quadratzentimetern an Kanälen auf dem Patch können so 200 Quadratzentimeter Wunde behandelt werden. Was er nun noch braucht, sind Partner im Gesundheitswesen, die der Anwendung auch zum wirtschaftlichen Durchbruch verhelfen.