GlaxoSmithKline (GSK) sieht sich in China zunehmend bizarren Verfolgungsaktionen ausgesetzt. Nachdem im Mai schwere Vorwürfe gegen Mark Reilly, den ehemaligen China-Chef des britischen Konzerns, erhoben wurden, sorgt jetzt ein Sex-Video für Schlagzeilen: Laut Sunday Times zeigt es Reilly beim Sex mit seiner chinesischen Freundin. Bereits Anfang 2012 war das Video anonym an führende GSK-Manager geschickt worden, darunter auch an Konzernchef Sir Andrew Witty.
Dem Bericht zufolge wurde das Video anscheinend heimlich in Reillys Wohnung in Shanghai aufgenommen. In den Mails, die auch an chinesische Aufsichtsbehörden gingen, wurden GSK-Manager der Bestechung von Ärzten beschuldigt. Der Konzern habe darüber Bescheid gewusst, so der Vorwurf.
Nachdem die Konzernführung das Video erhalten hatte, autorisierte GSK Reilly im Frühjahr 2013, einen britischen Privatdetektiv zu beauftragen. Dieser sollte herausfinden, wer die Kamera in Reillys Schlafzimmer angebracht hatte.
Laut Bericht kam der Detektiv zu keinem Ergebnis, wurde aber selbst einige Monate später zusammen mit seiner Frau und seinem US-Geschäftspartner von der chinesischen Polizei festgenommen. Den dreien wurde vorgeworfen, sich illegal private Informationen über chinesische Staatsbürger beschafft zu haben. Der Privatdetektiv legte später ein „Geständnis“ im chinesischen Fernsehen ab, befindet sich aber genau wie seine Frau und sein Partner immer noch in Haft.
China ermittelt seit Monaten gegen GSK und beschuldigt Reilly, ein umfassendes Korruptionsnetzwerk betrieben zu haben. Um den Absatz und die Preise der GSK-Produkte in China zu steigern, habe er sein Vertriebsteam gedrängt, Ärzte, Krankenhausmitarbeiter und Beamte zu bestechen. Den Ermittlern zufolge sollen sechs Jahren lang über Mittelsmänner in Reisebüros und Beratungsunternehmen mehrere Milliarden Yuan an Bestechungsgeldern geflossen sein. Reilly darf China derzeit nicht verlassen und muss sich möglicherweise auf eine lange Haftstrafe einstellen.
Im Mai waren auch vier chinesische Führungskräfte festgenommen worden; insgesamt ermittelten die Fahnder gegen mehr als 40 Verdächtige. Während der Untersuchungen sei herausgekommen, dass GSK dank seines Korruptionsnetzwerkes die Preise für seine Produkte in China immer weiter nach oben habe treiben können: Laut Polizeiangaben kosten Medikamente des Unternehmens in China bis zu siebenmal so viel wie auf anderen Märkten.
Die Ermittlungen gegen GSK und andere internationale Pharmakonzerne haben die gesamte Branche aufgeschreckt. Hintergrund des Skandals ist die weit verbreitete Korruption unter Ärzten in den schlecht finanzierten chinesischen Krankenhäusern, die stark von dem Medikamentenumsätzen leben. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping führt zurzeit zahlreiche Aktionen gegen Korruption und Bestechung durch.
Die ausländischen Firmen fühlten sich im Zuge dieser Maßnahmen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Die EU-Handelskammer in China hatte bereits im vergangenen Jahr gefordert, dass sich die Ermittlungen nicht zu stark auf ausländische Firmen konzentrieren dürften. Chinesische Stellen hatten dagegen betont, dass ihre Ermittlungen unabhängig seien und sich nicht gezielt gegen ausländische Firmen richten würden.
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