CGM: Investor für das Lebenswerk Patrick Hollstein, 09.12.2024 13:41 Uhr
Mit 74 Jahren musste sich Firmengründer und Großaktionär Frank Gotthardt bei Compugroup Medical (CGM) noch einmal einen neuen Partner suchen. Denn der Konzern steckt in einer Krise, die sich dauerhaft im Aktienkurs niedergeschlagen hat. Mit einem Finanzinvestor an der Seite soll nun ein Ausweg gefunden werden.
Vier Jahre ist es her, dass Gotthardt bei CGM den Versuch unternahm, sein Vermächtnis zu regeln. Bevor er sich selbst aus dem operativen Geschäft verabschiedete und von der Vorstandsspitze in den Verwaltungsrat wechselte, sicherte er seiner Familie über eine Umwandlung des Konzerns in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) auf Dauer das alleinige Sagen: Selbst ohne Mehrheit sollte die Kontrolle weiter beim Gründer liegen.
Doch die „identitätsstiftende Stellung“ des Ankerinvestors, von der damals die Rede war, führte dazu, dass der von Gotthardt installierte Nachfolger nach nur wenigen Monaten seinen Hut nehmen musste. Wegen „unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich der langfristigen Strategie des Unternehmens“ wurde der Vertrag mit dem früheren Deutschlandchef der Telekom, Dr. Dirk Wössner, kurzerhand wieder aufgelöst.
Seitdem tut sich CGM schwer damit, eine eigene Richtung zu finden. War der Konzern in den vergangenen Jahrzehnten stets vor allem durch Zukäufe gewachsen, fanden die letzten großen Übernahmen noch unter Gotthardt statt und liegen damit mittlerweile vier Jahre zurück.
Zwar bescherten Aktionen wie der Austausch von Konnektoren dem Konzern noch zusätzliche Einnahmen. Doch wiederholt blieb das eigentliche Kerngeschäft mit Praxen, Kliniken und Apotheken hinter den Erwartungen zurück. Wachstumsinitiativen brachten nur hohe Investitionen, trugen aber nicht die gewünschten Früchte. Vor allem die Gewinnentwicklung machte den Anlegern Sorgen.
Vor allem aber schwingt die Sorge mit, dass CGM trotz seiner führenden Position im Markt den Anschluss verlieren könnte. Echte Innovationen im Zusammenhang mit E-Rezept oder elektronischer Patientenakte (ePA) waren vom Konzern jedenfalls nicht wahrzunehmen. Und auch die vor einem Jahr angekündigte KI-Initiative hat bislang nicht zu sichtbaren Ergebnissen geführt. Mit „Stella“ will CGM im kommenden Jahr immerhin eine neue Generation der Warenwirtschaft für Apotheken auf den Markt bringen, die ursprünglich in Italien entwickelt worden war.
Auch personell ist CGM nicht zur Ruhe gekommen; immer wieder schieden Vorstände beziehungsweise leitende Manager aus. Den Chefsessel übernahm zuletzt Daniel Gotthardt; er ist der Sohn des Firmengründers und hat seine Karriere als geschäftsführender Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg gegen den Chefsessel beim familiengeführten Börsenkonzern eingetauscht.
Noch in der vergangenen Woche rechnete die Privatbank Hauck Aufhäuser in einer Studie damit, dass die ohnehin gebeutelte Aktie von CGM weiter auf 10 Euro und damit den Kurs von Anfang 2012 zurückfallen könnte. Zur Begründung hieß es, CGM verliere immer deutlicher seinen Wettbewerbsvorteil im Bereich der Praxis-EDV. Die große Gewinnwarnung im Sommer untermauere die Annahme, dass sich die Abwärtsspirale beschleunige.
Mit dem Einstieg eines Investors versucht Gotthardt nun den Befreiungsschlag. CVC bietet 22 Euro je Aktie und damit vergleichsweise günstig ins Geschäft. 2021 hatte der Kurs in der Spitze bei mehr als 80 Euro gelegen; alleine in diesem Jahr hat er sich noch einmal halbiert. Vor allem aber ist das Risiko für die Amerikaner überschaubar, da Gotthardt und der mit der Familie verbundene Anteilseigner Dr. Reinhard Koop ihre Mehrheit von gemeinsam 50,1 Prozent der Anteile behalten wollen und die Sanierung selbst vorantreiben werden.
Für den Firmengründer geht es um sein Lebenswerk. Von Hause aus Diplom-Informatiker, hatte Gotthardt zunächst Software für die Fleischwarenindustrie verkauft, bevor ihn seine Frau, eine Zahnärztin aus Neuhäusel in Rheinland-Pfalz, Ende der 1980er-Jahre überzeugte, ins Gesundheitswesen zu wechseln. Zunächst gründete er mit Partner die IT-Firma Dentev, später übernahm er den führenden Konkurrenten SKB 2 (Compudent).
1995 öffnet sich das Unternehmen für andere Arztgruppen. Richtig groß wird das Geschäft aber erst 2003 mit der Übernahme von Medistar und Turbomed. In den folgenden Jahren wird im In- und Ausland weiter zugekauft. Um die Übernahmen zu finanzieren, nahmen Gotthardt und seine Partner von 2003 bis 2012 den Finanzinvestor General Atlantic Partners mit an Bord. Im Mai 2007 wurden CGM-Aktien an die Börse gebracht.
Im Apothekenmarkt fasste CGM im Juni 2011 mit der Übernahme von Lauer-Fischer Fuß. Zuvor hatten Gotthardts Experten vergebens mit Pharmatechnik verhandelt. Der Apothekenbereich sei für die Gruppe der letzte fehlende Link zur Marktabdeckung gewesen, rechtfertigte der damalige Finanzchef Christian B. Teig den hohen Kaufpreis von insgesamt mehr als 70 Millionen Euro.