Als der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. Mai 2009 das deutsche Fremdbesitzverbot bestätigte, platzten nicht nur bei Celesio in Stuttgart die Träume. Auch so mancher Handelskonzern hatte sich die Zukunft rosig ausgemalt und seine Standorte an spezialisierte An- und Vermietungsgesellschaften vergeben – mit der Option, beim Fall des Fremdbesitzverbots den Betrieb selbst zu übernehmen. Doch mittlerweile ist Ernüchterung eingekehrt – und so manches Bündnis liegt in Scherben.
Gute Standorte sind begehrt – vor allem in Einkaufs- und Fachmarktzentren kommt man als einzelner Apotheker nicht leicht zum Zug. Die besten Flächen gehen direkt an professionelle Standortentwickler, die sie dann mit Aufschlag an Approbierte weitergeben. Bis zu 1000 Apotheken werden laut Schätzungen von Branchenkennern in Untermietverhältnissen betrieben – von der einfachen Vertragsbeziehung über die umsatzabhängige Miete bis hin zur totalen Abhängigkeit ist alles drin. So mancher Apotheker konnte sich nie aus der „Startfinanzierung“ befreien.
Zwar setzt das Apothekengesetz (ApoG) den Inhabern bei der Gestaltung ihrer Verträge Grenzen. Doch kaum jemand kennt die echten, oft im Nachhinein geänderten Vereinbarungen. Abgegriffen werden Gewinne auch über Leasingverträge für Einrichtung und EDV, Marketing- und Beraterhonorare sowie Gutschriften vom Großhandel. Auch persönliche Abhängigkeiten spielen eine große Rolle.
Kammern und Aufsichtsbehörden fehlt angesichts solcher Konstruktionen meist die Handhabe, um gegen echte Abhängigkeitsverhältnisse vorzugehen. Bei der Rechtsabteilung der ABDA hat man das Thema ohnehin aus dem Blickfeld genommen, um keinen Präzedenzfall zu provozieren. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2002 im Fall des Mindener Apothekers Günter Stange hat gezeigt, dass man das Fremdbesitzverbot auch viel großzügiger auslegen kann, als es den Apothekern lieb wäre.
Doch eine Liberalisierung des Apothekenmarktes ist seit dem EuGH-Urteil auch für die Handelsketten in weite Ferne gerückt, sodass ein guter Mieter derzeit mehr wert ist als ein leicht zu ersetzender Strohmann. Dazu kommen Querelen mit unverlässlichen Partnern und schlecht laufenden Standorten.
In den vergangenen Jahren standen zahlreiche Verträge zur Verlängerung an. Weil bei guten Standorten die Makler auch gegeneinander bieten, rufen die Handelsketten regelmäßig hohe Abschlagszahlungen auf, die zwischen 100.000 und 200.000 Euro liegen können. So trennen sich derzeit Spreu und Weizen – zumindest bei zweitklassigen Lagen kommen mittlerweile auch Apotheker wieder zum Zug.
Kaufland will nach mehreren Wechseln im Management ohnehin lieber direkt mit Pharmazeuten zusammenarbeiten, auch Globus scheint das Interesse an einem Zwischenmieter verloren zu haben. Immerhin: Auch in den Verträgen mit den Apothekern sollen Ausstiegsklauseln für den Fall des Fremdbesitzverbots enthalten sein.
Ursprünglich waren die auf Apotheken spezialisierten Standortentwickler über persönliche Beziehungen ins Geschäft gekommen: Stange war bei Globus an Bord. Helmut Fritsch und Joachim Birkle hatten einen direkten Draht in den Konzernvorstand der Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland). Der Hamburger Geschäftsmann Jürgen Rühe, Sohn eines Apothekers aus der Hansestadt, hatte den ersten Zugriff auf Standorte der Otto-Tochter ECE, die seit Ende der 1960er Jahre hunderte Shopping-Center im In- und Ausland eröffnet hat.
Doch nach 20 Jahren sind die Strukturen aufgeweicht: Stange hatte seine Mietverträge wegen seines Gerichtsverfahrens treuhänderisch abgegeben; ein Paket mit weniger attraktiven Standorten landete über Umwege bei der Anzag. Einige attraktive Flächen konnte sich Stange gemeinsam mit seinem Sohn und seinem Bruder, einem Rechtsanwalt aus Münster, sichern. Doch zuletzt soll Globus völlig überzogene Mieten aufgerufen haben. Über den angeblichen letzten Vertrag wird derzeit wieder vor Gericht gestritten – noch einmal landet der Fall Stange vor dem BGH, diesmal unter anderen Vorzeichen.
Birkle hatte sich nach der Trennung von Fritsch im Jahr 2001 erst mit Avie und dann – nach einem handfesten Streit mit der Kohl-Gruppe – mit der Anzag zusammengetan. Der Frankfurter Großhändler hatte 2005, als die Sanacorp noch an Bord war, ein eigenes Geheimprojekt für Standorte aufgezogen und wollte wegen des öffentlichen Drucks seine Mietverträge loswerden. Seit einigen Jahren lebt Birkle in Südfrankreich. Aus Vitasco, dem Gemeinschaftsprojekt mit Anzag/Alliance, hat er sich 2012 zurückgezogen.
Fritsch und seine Frau wiederum leben in Florida und betreiben Apotheken in Einkaufszentren in Berlin und Leipzig; ihnen gehört außerdem die Versandapotheke Apo-Discounter. Seine Standorte soll Fritsch bereits vor Jahren abgegeben haben; in diesem Zusammenhang wird – genauso wie bei den Bienen-Apotheken in München – ein schweizerischer Ableger von Phoenix genannt.
Celesio hat sich dagegen aus dem Geschäft zurückgezogen: Mit seinen Kaufverträgen hatten der Konzern im Vorfeld des EuGH-Urteils für Schlagzeilen gesorgt; auch die Gehe-Tochter Inten hat ihre Standorte weitgehend abgegeben.
Bei Pluspunkt flogen vor zwei Jahren die Fetzen: Ein Apotheker hatte in einem Rechtsstreit um angebliche Mietrückstände Beweise angekündigt, dass die Markenpartner von der Systemzentrale fremdbestimmt werden. Hinter dem Konzept stehen der Berliner Steuerberater Rudolf Stücke sowie mehrere Apotheker aus dem Elac-Umfeld.
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