Apotheken-, Arzneimittel-, Sozialrecht: Apotheker müssen in ihrem Beruf viele gesetzliche Vorschriften beachten. Mitunter kollidieren die verschiedenen Regelungen miteinander – ein Dilemma, aus dem es manchmal keinen Ausweg gibt. Ein Apotheker in Hoyerswerda hat derzeit Ärger mit der Supermarktkette Globus, weil die seinem Zwischenmieter gekündigt hat und ihn jetzt vor die Tür setzen will. Die Angelegenheit geht vor den Bundesgerichtshof (BGH).
Der Fall hat eine Vorgeschichte: Der Standort im Globus existiert bereits seit den 1990er Jahren; Inhaber des Mietvertrags ist die Familie um Günter Stange. Der Mindener Apotheker hatte es 2002 bereits einmal vor den BGH geschafft: Ihm wurde vorgeworfen, Kollegen als Strohmänner eingesetzt und die Gewinne abgeschöpft zu haben. Bis heute streitet Stange mit der ABDA über die Folgen des Verfahrens.
In Hoyerswerda hatte jahrelang eine Apothekerin die Stellung gehalten. Die kündigte jedoch ihren Untermietvertrag im Dezember 2013 – wenige Monate, nachdem Stanges Vereinbarung mit Globus um weitere fünf Jahre verlängert worden war. Nun saß der Zwischenmieter in der Falle – denn laut Mietvertrag war er verpflichtet, in den Geschäftsräumen eine Apotheke zu betreiben.
Ende Juni 2014 schloss die Apotheke – einen Nachfolger gab es nicht. Globus forderte Stange auf, das Problem zu lösen, und kündigte schließlich im August außerordentlich und fristlos. Im Dezember wurde die Apotheke wieder eröffnet, doch da lag der Fall längst bei Gericht.
Gestritten wird über zwei Klauseln, die in vielen Gewerbemietverträgen für Flächen in Einkaufszentren zu finden sind: eine Betriebspflicht und eine Offenhaltungspflicht. Gemäß der Vereinbarung mit Globus war Stange verpflichtet, „den Mietgegenstand während der gesamten Mietzeit seiner Zweckbestimmung entsprechend ununterbrochen als Apotheke geöffnet zu halten oder gehalten zu lassen“. Wörtlich hieß es: „Die Mieterin beziehungsweise deren Untermieterin trägt damit das alleinige Risiko der apothekenrechtlichen Genehmigung.“
Weiter wurde vereinbart, dass die Fläche weder ganz noch teilweise ungenutzt oder leer stehen durfte. „Zeitweise Schließungen, sei es für Mittagspausen, Ruhetag, Betriebsferien oder Inventuren sind nicht zulässig.“ Diese Offenhaltungspflicht wurde an anderer Stelle noch einmal explizit aufgegriffen: „Die Mieterin beziehungsweise Untermieterin ist verpflichtet, ihr Geschäftslokal während der Geschäftszeiten der Vermieterin ununterbrochen, das heißt insbesondere ohne Mittagspause, Betriebsferien oder ähnliches geöffnet zu halten.“
Da beide Vorgaben laut Mietvertrag eine „Kardinalpflicht des Vertragsverhältnisses“ darstellen, wurde ein Vertragsstrafe von jeweils 2000 Euro pro Kalendertag vereinbart. Außerdem wurde Globus das Recht eingeräumt, in diesen Fällen fristlos zu kündigen.
Im März gab das Landgericht Görlitz (LG) der Räumungsklage von Globus statt: Die Pflichtverletzung sei erheblich; die Vereinbarung einer Betriebspflicht entspreche den berechtigten Interessen der Vermieterseite daran, einen für das Einkaufszentrum tendenziell negativen Leerstand zu vermeiden.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Mieter das Risiko für die Erteilung der Betriebserlaubnis komplett übernehme: „Da die apothekenrechtlichen Genehmigung für den Betrieb einer Apotheke unabdingbar ist und deren Erteilung ausschließlich von Umständen abhängt, die in der Sphäre des Mieters liegen, gibt es gegen diese Regelung nichts zu erinnern“, so die Richter.
Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) bewertete den Sachverhalt mit Blick auf die Offenhaltungspflicht genauso: Auch wenn der Inhaber die Apotheke persönlich zu leiten habe, könne er sich bei vorübergehender Verhinderung vertreten lassen – was ganz offensichtlich auch geschehe, da der neue Apotheker in Berlin wohne. Dass die notwendige Anwesenheit eines Approbierten, gerade angesichts der langen Öffnungszeiten, ein „nicht unerheblicher Kostenfaktor“ sei, hindere die Mieter nicht an der Einhaltung der Offenhaltungspflicht. Immerhin sei es in den Jahren zuvor möglich gewesen, die Apotheke durchgehend geöffnet zu halten.
Stange sei vom Auszug seiner bisherigen Untermieterin nicht überrascht worden, habe aber trotzdem erst zu spät und nicht nachhaltig genug nach einem Nachmieter gesucht. Globus habe dagegen alle Fristen eingehalten. Der Mindener Apotheker hatte noch argumentiert, die Kombination beider Klauseln in ihrer absolut strikten Form benachteilige den Mieter unangemessen.
Doch die Richter ließen sich darauf nicht ein: Beide Regelungen stünden für sich; selbst wenn die Offenhaltungspflicht einer Prüfung nicht stand halte, sei damit die Betriebspflicht nicht ebenfalls ungültig. Im Übrigen sei es auf einer Fläche von 190 Quadratmetern durchaus zumutbar, Schönheitsreparaturen nach Feierabend oder während des laufenden Geschäftsbetriebs durchzuführen.
Noch ist die Apotheke geöffnet, denn noch ist das Verfahren nicht abgeschlossen. Stange will den Fall vor den BGH bringen und klären lassen, ob derartige „Zwangsmaßnahmen“ in gewerblichen Mietverhältnissen akzeptabel sind. Wenn Betriebs- und Offenhaltungspflicht unbedingt seien, müsse man nur Zwischenfälle provozieren, um lästige Mieter loszuwerden. „Das wäre ein ganz mieser Hebel“, so der Apotheker.
Von den rechtlichen Fragen abgesehen, bietet der Streit aber auch einen Einblick in das Verhältnis von Stange und Globus. Verhandelten die langjährigen Partner noch 2012 über eine Verlängerung aller Mietverträge, flogen zuletzt die Fetzen. Stange warf dem Handelskonzern im Verfahren bösartiges Taktieren vor: Seine Bemühungen, einen Nachmieter zu finden, seien treuwidrig hintertrieben worden, weil Globus durch direkte Verträge mit Apothekern noch mehr Profit aus den Verträgen ziehen wolle. So habe Globus beispielsweise die Aufsichtsbehörde im Sommer 2014 über die fristlose Kündigung informiert – und damit die Erteilung der Betriebserlaubnis boykottiert.
Hoyerswerda ist angeblich der letzte gemeinsame Standort, alle anderen Verträge hat Stange nach eigenem Bekunden aufgegeben. Höhere Mieten seien nicht darstellbar, zumal sich Globus bereits jede Vertragsverlängerung zusätzlich mit einem fünfstelligen Betrag bezahlen lasse. Am liebsten wäre er längst weg, mehr als 140.000 Euro will Stange im Mai als Abstandszahlung angeboten haben. Vor Gericht geht es längst nicht mehr um eine gemeinsame Zukunft, sondern nur noch um Geld.
Der BGH hatte Stange 2002 vorgeworfen, sich mit dem „wirtschaftlichen Fernziel“ einer Apothekenkette ab Ende der 1980er Jahre deutschlandweit Standorte gesichert und diese an Apotheker mittels eines „Geflechts von wirtschaftlichen Vereinbarungen“ untervermietet zu haben. Über Mieterhöhungen sowie Zahlungen für EDV, Schulungen sowie Marketing- und Beratungsleistungen habe er in mindestens zwölf Fällen den kompletten Gewinn abzüglich der Garantieeinkünfte der Apotheker abgeschöpft. Da Stange sich aber nicht in pharmazeutische Belange eingemischt habe, seien die Apotheker keine Strohmänner gewesen. Seine Mietverträge mit Globus hatte er im Vorfeld des Verfahrens treuhänderisch abgegeben. Später landete ein Teil der Standorte über Umwege bei der Anzag.
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