Dass von CBD als Inhaltsstoff von Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmitteln keine Gefahr ausgeht, befreit Hersteller nicht von der Pflicht, für ihre Produkte Novel-Food-Anträge zu stellen. Denn es kommt auf die Herstellungsweise an: Werden CBD-Extrakte durch klassische Pressung gewonnen, können sie demnach ohne weiteres in Verkehr gebracht werden. Wurden das CBD-Öl jedoch durch CO2-Extraktion gewonnen, gelten andere Regeln. Ein Unternehmen hatte in mehreren Instanzen versucht, diese strikten Regulierungen bei CBD-haltigen Produkten zu Fall zu bringen. Doch es scheiterte vor dem Verwaltungsgericht Sigmarigen.
Vor fast zweieinhalb Jahren begann der Ärger: Im Februar 2019 hatte das Landratsamt Ravensburg lebensmittelrechtliche Anordnungen gegen die Firma erlassen. Ihr wurde untersagt, cannabidiolhaltige Produkte ohne Zulassung gemäß der EU-Novel-Food-Verordnung in Verkehr zu bringen, bei denen als Zutat „Vollspektrum Hanf-Extrakt“ oder „Hanfsamenextrakt“ angegeben ist. Das Unternehmen wehrte sich mit einer Klage gegen das Landratsamt.
Das wiederum ließ im Oktober 2020 eine Untersuchung durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe vornehmen: Acht Produkte, die CBD enthielten, das durch CO2-Extraktion gewonnen wurde, hat es unter die Lupe genommen und kam in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Missbrauch dieser Produkte zu Rauschzwecken ausgeschlossen sei – allerdings handele es sich jedoch um nicht zugelassene neuartige Lebensmittel im Sinne der EU-Verordnung. Traditionelle Hanflebensmittel, die vor 1997 verzehrt worden seien, würden ausschließlich aus den Samen und den Blättern der Pflanze als wässriger Aufguss, nicht jedoch aus den Blüten oder sonstigen Pflanzenteilen gewonnen. Laut dem Novel Food-Katalog der Europäischen Union würden Extrakte aus Cannabis sativa L. sowie daraus gewonnene cannabinoidhaltige Produkte als neuartige Lebensmittel gelten, da der Verzehr von Extrakten vor 1997 noch nicht nachgewiesen sei.
Das gelte nicht nur für die Extrakte selbst, sondern auch für alle Produkte, denen sie als Zutat zugesetzt werden. Damit sind zahlreiche Produkte betroffen, die sich auch in Drogerien oder Supermärkten finden, das Karlsruher Amt verwies dabei auf eine Reihe von Zutaten, die in solchen Produkten ausgewiesen sind: CBD-Isolat, CBD-Extrakt, Industriehanfextrakt, Hanfextrakt oder etwa Vollspektrum-Hanfextrakt. Solche Zutaten habe es zwar bereits vor 1997 in allerlei Hanfprodukten gegeben – der entscheidende Unterschied sei aber die Extraktionsart.
Denn die Produkte des Unternehmens arbeiteten mit Extrakten, die durch CO2-Extraktion gewonnen wurde. Das sei zwar bereits vor 1997 gängig gewesen – wenn aber CBD durch dieses Verfahren gewonnen wird, handele es sich ein neuartiges Lebensmittel. Der Einsatz der CO2-Extraktion zum direkten Herauslösen von CBD für Lebensmittelzwecke sei für den Zeitraum vor 1997 nicht nachgewiesen. Die Beweislast liege bei der Antragstellerin, so das Landratsamt. Im Frühjahr dieses Jahres legte das Unternehmen dagegen Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung des Strafvollzugs. Es handele sich nicht um neuartige Lebensmittel, so das Argument.
Denn das Landratsamt verkenne, dass die Novel-Food-Verordnung davon ausgehe, dass ein nicht übliches Verfahren lediglich dann zu einem neuartigen Lebensmittel führe, wenn dies bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur eines Lebensmittels bewirke, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechslung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussten. Das sei nicht der Fall gewesen – nicht jeder Extrakt mache das Produkt automatisch zu einem neuartigen Lebensmittel. Außerdem liege die Beweislast beim Landratsamt, da es sich um Vertriebsverbot handele, das in die Grundrechte und den freien Warenverkehr eingreife.
Der Fall ging vors Veraltungsgericht Sigmaringen – das dem Landratsamt Recht gab: „Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat nicht neuartig ist, trägt derjenige, der das Lebensmittel in den Verkehr bringen will.“ Was neuartig ist und was nicht, müsse dabei anhand der Herstellungsweise beurteilt werden. „Auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel oder neuartigen Lebensmittelzutaten lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu nehmende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können, zumindest solange nicht die Unschädlichkeit des fraglichen Lebensmittels oder der fraglichen Zutat durch angemessene Verfahren nachgewiesen wurde“, so die Richter. Das Unternehmen darf seine Extrakte deshalb ohne eine Genehmigung gemäß der Novel-Food-Verordnung auch künftig nicht weiter vertreiben.
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