Wer mit CBD-Produkten handelt, bei denen ein Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen ist, riskiert eine Haftstrafe. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) warnt vor einer Strafverfolgungswelle.
Das Landgericht Berlin hatte zwei Männer wegen des Handels mit CBD-Blüten zu Freiheitsstrafen verurteilt: Mit Unterstützung seines Komplizen sowie eines unbekannt gebliebenen Dritten soll der Hauptangeklagte im September und Oktober 2019 jeweils 60 kg Blüten von Cannabispflanzen mit einem hohen Anteil des Wirkstoffs Cannabidiol (CBD) erworben haben. Die CBD-Blüten verkaufte er demnach gewinnbringend an Großhändler weiter, die diese ihrerseits an Spätverkaufsstellen und CBD-Shops veräußerten.
Der Hauptangeklagte wurde wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, sein Komplize wegen Beihilfe hierzu zu zehn Monaten auf Bewährung.
Laut BGH hat das Landgericht die CBD-Blüten zu Recht als Betäubungsmittel im Sinne der Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eingeordnet. Die Blüten fielen nicht unter eine Ausnahmevorschrift für Cannabis. Zwar wiesen sie einen Wirkstoffgehalt von 0,2 Prozent THC auf und überschritten damit nicht den in der Ausnahmevorschrift vorgesehenen Grenzwert. Es fehlte aber an der Voraussetzung, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen sein muss. Denn wurden die Blüten etwa beim Backen erhitzt, führte dies zur Freisetzung weiteren THC, das beim Konsum durch den Endabnehmer einen Cannabisrausch erzeugen konnte. Das sei dem Hauptangeklagten bekannt und seinem Gehilfen gleichgültig gewesen.
Entgegen den Verteidigern stelle die Verurteilung auch für den Fall keinen Verstoß gegen die europarechtliche Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) dar, dass die Blüten in Spanien legal produziert wurden. Denn bei den Blüten handelte es sich um Suchtstoffe, mit denen der Handel von vornherein verboten sei und die daher nicht der Warenverkehrsfreiheit unterfielen. Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden europarechtlichen Maßstäbe seien nach den einschlägigen Rechtsnormen so klar und durch die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) so weit geklärt gewesen, dass keine Veranlassung bestanden habe, eine Entscheidung des EuGH zur Vereinbarkeit mit Europarecht einzuholen.
Angesichts der Möglichkeit eines gesundheitsgefährdenden Missbrauchs der CBD-Blüten zu Rauschzwecken hat der BGH in der Strafbarkeit des Handels mit diesen auch keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot gesehen. Das Urteil des Landgerichts Berlin ist damit rechtskräftig.
Da auch für verschwindend geringe Menge an THC im Spurenbereich keine Ausnahmen genannt wurden, fordert der BvCW daher die sofortige Herausnahme von Nutzhanf aus dem BtMG. Man habe bereits im Februar umfassend dokumentiert, dass die Annahme einer reellen Rauschgefahr „lebensfremd, unwirtschaftlich und praktisch ausgeschlossen“ sei. Auch die Staatsanwaltschaft Heilbronn habe in ihrem Einstellungsbescheid zu „Lidl“ zuletzt dokumentiert, dass in Bezug auf Nutzhanferzeugnisse nur ein theoretisches Missbrauchspotenzial bestehe, weil ein Missbrauch praktisch nahezu ausgeschlossen sei. Die vom BGH verhängten Strafen seien so hoch wie beim Handel hochprozentiger illegaler Rauschmittel.
Die Bundesregierung müsse nun dringend die Beschlussempfehlung des Sachverständigenausschusses für Betäubungsmittel umsetzen. „Ein Abwarten auf die vollständige Cannabisregulierung könnte viele Existenzen ruinieren, denn Tausende müssen nun Tag für Tag mit Razzien, Betriebsschließungen, Strafverfahren und Arbeitsplatzverlusten rechnen”, so Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des BvCW.
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