Sanofi kooperiert mit dem Berliner Start-up Cara Care. Zusammen wollen beide Unternehmen „einen neuen Ansatz im Umgang mit dem Reizdarmsymptom“ erproben: Eine Behandlung mit Sanofis neuem Darmtherapeutikum Buscomint soll künftig von der App von Cara Care begleitet werden, um individuelle Auslöser und Beschwerden besser erkennen zu können.
„Reizdarm ist eine komplexe Erkrankung. Von Patienten wissen wir, dass ihnen ein Medikament alleine meist nicht ausreicht, um ihre Symptome in den Griff zu bekommen“, erklärt Verena Bärnwick, Digital Health Innovation Lead bei Sanofi Consumer Healthcare. Die Kooperation biete dem Patienten deshalb einen echten Mehrwert, um die Symptome in den Griff zu bekommen. Woraus genau die Kooperation besteht, wollen Cara Care und Sanofi erst im Januar bekanntgeben. Allerdings hatte Cara Care schon vor Monaten öffentlich über die Möglichkeit gesprochen, dass die App im Rahmen von Partnerschaften mit Pharmaunternehmen quasi im Paket mit Arznei- oder Nahrungsergänzungsmitteln angeboten werden solle. Ziel sei eine „integrierte holistische Therapie, die nicht nur pharmazeutische, sondern auch psychologische und ernährungswissenschaftliche Komponenten miteinbezieht“, so Cara-Care-Gründer und CEO Jesaja Brinkmann auf Anfrage.
Denn die App Cara Care soll den Patienten helfen, die Zusammenhänge zwischen ihren Symptomen, ihrer Ernährung, Stress und Arzneimitteln zu erkennen. Dabei können die Nutzer mit Hilfe einer Tagebuchfunktion ihre Mahlzeiten in Bild und Text festhalten und Informationen wie Verdauungssymptome, Beschaffenheit des Stuhls und Medikamente hinzufügen. Auch andere Faktoren wie das psychische Befinden, das Hautbild oder der Menstruationszyklus können mit einbezogen werden. „Die individuelle Betrachtung von Ernährung, Psyche, Hormonen und Lebensstil kam in der Reizdarmbehandlung bisher viel zu kurz“, erklärt Brinkmann. „Durch unser gemeinsames Programm bekommen Millionen von Menschen einfachen Zugang zu ganzheitlicher und nachhaltiger Hilfe.“
Zu Cara Care gehört auch die Möglichkeit digitaler Ernährungsberatung. Dazu hat Cara Care ein Team von rund einem Dutzend Ernährungsberatern unter Vertrag, von denen sich die Patienten in der App beraten lassen können. Die App richtet sich aber auch an Ärzte: Eine Dashboard-Funktion soll es den Medizinern ermöglichen, auf einen Blick die gesamte Krankheitsgeschichte des Patienten Revue passieren zu lassen, ohne dazu alle Akten durchstöbern zu müssen.
2015 hat Brinkmann gemeinsam mit dem Arzt André Sommer die Cara-Care-Muttergesellschaft HiDoc gegründet, nach eigenen Angaben, weil Sommer im Bereich Darmgesundheit nur mangelhafte Betreuung der Patienten durch ihre Ärzte wahrgenommen hat. Grob gesagt ist Brinkmann für den betriebswirtschaftlichen, Sommer für den wissenschaftlichen Teil von Cara Care zuständig. Im Sommer 2016 gründeten sie den Medizinblog Reizdarm.one, um vor der Produkteinführung dank ausgeklügelten SEO-Managements Reichweite zu generieren. Im Oktober 2016 wurde dann die App Cara Care auf den deutschen Markt gebracht, im Januar 2017 folgte der US-Markt. Erlöse wollen die beiden nicht nur durch die Krankenkassenerstattung generieren – das Digitale-Versorgung-Gesetz dürfte ihnen sehr entgegenkommen – sondern auch durch Kooperationen wie die jetzige mit Sanofi.
Für die kommt die jetzige Kooperation als zusätzlicher Kaufanreiz nämlich auch gelegen, schließlich will der französische Pharmakonzern mit dem neu eingeführten Buscomint Platzhirschen wie Iberogast oder Kijimea Marktanteile abjagen. Die Kapseln mit je 0,2 ml Pfefferminzöl werden dreimal täglich eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten eingenommen. In der Regel erfolgt die Einnahme über 7 bis 14 Tage. Sollten die Beschwerden länger anhalten oder sich verstärken, sollte ein Arzt aufgesucht werden. In Absprache mit dem Mediziner kann das Präparat bis zu zwölf Wochen lang eingenommen werden. Buscomint ist für Jugendliche ab zwölf Jahre zugelassen. Bei einem Körpergewicht unter 40 kg sollte es nicht angewendet werden.
Ein Reizdarmsyndrom liegt vor, wenn über ein Jahr hinweg abdominelle Schmerzen vorliegen und diese Beschwerden mindestens drei Monate lang von weiteren Symptomen wie einer Veränderung der Stuhlfrequenz und Stuhlform einhergehen. Symptome wie Gewichtsverlust, gastrointestinale Blutungen oder Fieber sollten durch weitere Diagnostik abgeklärt werden. Patienten mit Reizdarm profitieren häufig von einer Ernährungsumstellung, heilbar ist das Syndrom nicht.
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