Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bleibt die letzte Hoffnung von DocMorris. In Deutschland ist das Thema Rx-Boni endgültig durch: Jetzt hat auch noch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Verfahren um DocMorris-Boni eine Verfassungsbeschwerde des Versandhändlers Otto zurückgewiesen. Die Karlsruher Richter bestätigten die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die Frage nicht in Luxemburg vorzulegen.
Otto hatte im Jahr 2006 mit einem Einleger im eigenen Katalog die DocMorris-Boni beworben. Dagegen war der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) vorgegangen. Im Februar 2014 hatte der BGH das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) bestätigt. Die Entscheidung war reine Formsache, da 2012 bereits der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte erklärt hatte, dass sich auch ausländische Versandapotheken hierzulande an die Preisbindung halten müssen.
Vertreten wurde Otto von den DocMorris-Anwälten der Kanzlei Diekmann. Diese hatten Verfassungsbeschwerde beim BVerfG eingelegt. Der BGH habe zu Unrecht von einer Vorlage an den EuGH abgesehen: Das Boni-Verbot erschwere den Marktzugang für importierte verschreibungspflichtige Arzneimittel, ausländische Versender verlören ihren Wettbewerbsvorteil. Auch der im Festpreis enthaltene Höchstpreis behindere den (Qualitäts-)Wettbewerb zwischen inländischen und ausländischen Versandapotheken, so die Argumentation von DocMorris/Otto.
Die Festpreisbindung lässt sich demnach auch nicht mit dem Allgemeinwohl rechtfertigen. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen einem Festpreis und der flächendeckenden Versorgung. Die Versorgungssituation in Deutschland sei vorbildlich, daran habe auch der Versandhandel nichts geändert. Ein Schutz der Verbraucher vor unterschiedlichen Preisen greife als Argument ebenfalls nicht durch.
DocMorris fühlt sich in seiner Berufsausübungsfreiheit beschränkt und eines EuGH-Verfahrens zu Unrecht beraubt. Außerdem sei die später erfolgte gesetzliche Klarstellung zum Rx-Boni-Verbot verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber die EU-Kommission nicht informiert habe. Die Brüsseler Behörde habe deshalb bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Doch das BVerfG hat die Sache gar nicht erst zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde habe keine grundsätzliche Bedeutung. Die maßgeblichen Fragen seien bereits geklärt. Zudem habe die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg.
Otto/DocMorris wurde laut der Begründung nicht der sogenannte gesetzliche Richter entzogen. Der BGH habe seine Vorlagepflicht an den EuGH weder verkannt, noch sei er von dessen Rechtsprechung abgewichen. „Vielmehr ging der Bundesgerichtshof von einer klaren Rechtslage aus“, heißt es in der Begründung des BVerfG.
Der BGH habe sich mit der Rechtslage in der EU „intensiv auseinandergesetzt“, heißt es weiter. Er sei insoweit dem Beschluss des Gemeinsamen Senats gefolgt, der ebenfalls keinen Grund gesehen hatte, die Frage nach Luxemburg zu schicken. In der Literatur gebe es keine nennenswerten Gegenstimmen zu dem Beschluss der obersten Richter. Es gibt laut BVerfG daher keine Anhaltspunkte dafür, dass der BGH seinen Beurteilungsspielraum bei der Auslegung der EU-Verträge überschritten hätte. Die Entscheidung des BVerfG ist unanfechtbar.
Für DocMorris ist die Pleite in Karlsruhe nicht dramatisch – denn die Versandapotheke hat zwischenzeitlich ein Verfahren nach Luxemburg gebracht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte es wegen des laufenden Vertragsverletzungsverfahren als notwendig erachtet, die Boni-Frage vom EuGH klären zu lassen. Am 17. März war in in Luxemburg verhandelt worden. Am 2. Juni wird der Generalanwalt seine Schlussanträge stellen. Einen Termin für die Urteilsverkündung des Senats gibt es noch nicht. Bei der mündlichen Verhandlung war keine Tendenz zu erkennen.
Der Vertreter der Bundesregierung hatte die Preisbindung vor dem EuGH verteidigt – und erhält mit dem BVerfG-Beschluss nun erneut Rückendeckung von höchstrichterlicher Stelle. Die Verfassungsbeschwerde scheiterte mit Beschluss vom 31. März – zwei Wochen nach der EuGH-Verhandlung.
Der BGH hatte kurz vor der Verhandlung in Luxemburg ebenfalls ein Zeichen gesetzt: Die Karlsruher Richter wiesen Nichtzulassungsbeschwerden von DocMorris in zwei Verfahren zu Rx-Boni ab. Der BGH sah ebenfalls keine Notwendigkeit, den EuGH anzurufen. Die EU-Richter werden die Signale aus Deutschland zur Kenntnis nehmen, beeinflussen lassen werden sie sich in ihrer Entscheidung davon voraussichtlich nicht.
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