Bundespatentgericht

Nasic: Schlecht ist nicht erfinderisch

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Berlin -

Vor Gericht müssen sich Anwälte mitunter ziemlich verbiegen, um ihre Argumente unterzubringen. Bayer spielte einmal die Bedeutung von Aktren herunter, die DHU die Bekanntheit von Ursula Karven. Klosterfrau wollte im Streit mit Teva/Ratiopharm die Richter davon überzeugen, dass die Idee für die Zusammensetzung seines Nasensprays Nasic eigentlich so schlecht war, dass sie schon wieder als einzigartig anzusehen ist. Doch das Bundespatentgericht ließ sich davon nicht überzeugen und kippte den Patentschutz für das Produkt.

Nasic enthält Xylometazolin und Dexpanthenol; Klosterfrau hatte die Kombination zur Behandlung akuter Rhinitiden 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt und ein Jahr später beim Europäischen Patentamt angemeldet. Damit ist das Präparat eigentlich bis 2025 patentgeschützt. Teva hatte jedoch geklagt und im Januar vor dem Bundespatentgericht recht bekommen.

Damit eine Erfindung patentiert werden kann, darf diese nicht zum Stand der Technik gehören und sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. Bei Nasic treffen diese Voraussetzungen schon deswegen nicht zu, da die Wirkungen der beiden Substanzen zum Zeitpunkt der Einführung schon weitläufig bekannt waren. Insofern seien die positiven Effekte der Kombination nahe liegend gewesen, heißt es in den jetzt vorliegenden Urteilsgründen.

Ohnehin hat Klosterfrau den Richtern zufolge abgekupfert: Einige Jahre zuvor habe Dr. Gerhard Mann mit Rhino Flexiole (Naphazolin/Diphenylhydramin/Panthenol) nämlich ein ganz ähnliches Produkt auf dem Markt gehabt. Dieses könnte für fachkundige Experten, die sich mit dem Thema beschäftigten, als Anregung gedient haben – gerade mit Blick auf den Einsatz des Provitamins.

Klosterfrau will das Produkt zwar gar nicht gekannt haben, da es bereits seit 1986 nicht mehr im Handel war. Doch selbst wenn: Rhino Flexiole sei zur Behandlung allergischer Rhinitiden zugelassen gewesen – eine Übertragung auf den Erkältungsbereich also alles andere als nahe liegend, so der Hersteller. Außerdem habe man sich für Xylometazolin als Sympathomimetikum entschieden, obwohl eine Entscheidung zugunsten der nebenwirkungsärmeren Phenylethylamine viel nahe liegender gewesen wäre.

Der Argumentation folgten die Richter nicht: Xylometazolin und Oxymetazolin seien damals die am häufigsten eingesetzten topisch applizierten Vasokonstriktoren gewesen, während Phenylethylamine hier eine untergeordnete Rolle spielten. Eine „einhellig ablehende Haltung der Fachwelt“ sei nicht erkennbar.

Die von Klosterfrau ins Feld geführten Fälle jahrzehntelanger Abhängigkeit beträfen einen Alkoholiker und einen psychisch kranken Menschen und repräsentierten nicht den allgmeinenen Bevölkerungsdurchschnitt an einem banalen Schnupfen leidender Patienten.

Akute und allergische Rhinitiden seien sich als Indikationen wiederum so ähnlich, dass auch hier nicht von einer überragenden Leistung auszugehen sei. Dass die Klosterfrau-Experten dabei das Antihistaminikum strichen, sei ein „selbstverständliches Vorgehen des Fachmannes im Rahmen seines Aufgabenbereiches“. Auch die Galenik sei reine Routine gewesen, zumal Sympathomimetika genauso wie Dexpanthenol wasserlöslich seien.

Dass Klosterfrau eine verbesserte Wirksamkeit nachweisen konnte, sei zu erwarten gewesen. Auch die vom Hersteller behauptete grundsätzliche Skepsis gegenüber Kombinationspräparaten ließ das Bundespatentgericht schlussendlich nicht gelten: Zwar seien Ärzte und Apotheker angehalten, bei der Auswahl sorgfältig zu sein und die Sinnhaftigkeit zu prüfen. Von vornherein ausgeschlossen seien Präparate mit mehreren Wirkstoffen aber nicht, was an der hohen Verbreitung abzulesen sei.

Die Richter haben Berufung beim Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen; ob der Streit weiter geht, war bislang nicht zu erfahren. Ratiopharm will die Kombination unter dem Namen XyloDuo einführen. Auch Procter & Gamble (P&G) steht mit Wick DuoSpray bereit.

Nasic ist mit knapp neun Millionen verkauften Packungen pro Jahr die Nummer 2 unter den abschwellenden Nasensprays. Der Umsatz auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) liegt bei mehr als 50 Millionen Euro. Insgesamt werden pro Jahr mehr als 50 Millionen Packungen von Nasensprays und -tropfen mit Xylometazolin abgesetzt. Klarer Marktführer ist mit mehr als 20 Millionen Packungen das Monopräparat von Ratiopharm; wegen des deutlich geringeren Preises kommt der Platzhirsch aber nur auf Erlöse von rund 70 Millionen Euro.

Otriven (Novartis), Olynth (Johnson & Johnson) und Nasenspray Al (Aliud) kommen auf jeweils rund sieben Millionen Stück, abgeschlagen folgt Snup (Stada) mit zwei Millionen Stück. In den neuen Bundesländern ist außerdem Imidin (Aristo) stark, im Versandhandel laufen die Großpackungen à 15 Milliliter überdurchschnittlich gut. Auf AVP-Basis ist der Markt insgesamt rund 150 Millionen Euro schwer.

Oxymetazolin spielt mit etwas mehr als zwei Millionen Einheiten eine untergeordnete Rolle, hier entfallen 90 Prozent auf Nasivin (Merck), der Rest auf Wick Sinex (P&G). Wegen des höheren Preises kommt dieser Bereich auf ein Umsatzvolumen von rund 13 Millionen Euro. Abschwellend wirken außerdem hypertone Salzlösungen und das Emser-Salz (Sidroga).

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