Skonto-Prozess

„Der Großhandel macht keine Dummheiten“

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Karlsruhe -

Exakt 60 Minuten dauerte die mündliche Verhandlung. Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es heute um die Zulässigkeit von Skonti durch den Großhandel. Noch im Laufe des Tages will der Vorsitzende Richter des 1. Senats für Wettbewerbsfragen, Dr. Wolfgang Bücher, die Entscheidung verkünden. Aus dem Verhandlungsverlauf lässt sich keine Prognose ableiten. Nimmt man allerdings die Stoppuhr als Maßstab, dann liegen die Vorteile auf der Seite des Großhändlers AEP: 35 Minuten zu 15 Minuten.

AEP gewährt Apotheken 3 Prozent Rabatt und 2,5 Prozent Skonto. Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen die Preisbindung und hatte den Großhändler im Dezember 2014 abgemahnt und Mitte März 2015 verklagt. Das Landgericht Aschaffenburg (LG) hatte zugunsten von AEP entschieden. Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) hat der Berufung der Wettbewerbszentrale in vollem Umfang stattgegeben. Skonti sind demnach „nichts anderes als eine besondere Art des Preisnachlasses“.

Gut 35 Minuten erklärte Dr. Reiner Hall, Anwalt von AEP, vor dem BGH die Sicht seines Mandanten: Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) regele den Höchstzuschlag des Großhandels bei seiner Margengestaltung: „Mehr darf der Großhandel nicht nehmen. Das ist die Höchstgrenze.“ Aus der AMPreisV lässt sich nach Ansicht von AEP aber kein Mindestpreis ableiten. Aber selbst wenn man eine Mindestpreisgrenze unterstelle, seien „Skonti dafür nicht relevant“.

Ausführlich legte Hall seine Argumente dar: Der einheitliche Apothekenabgabepreis stehe nicht zur Disposition. Aus der Genese der Vorschrift lasse sich zudem ableiten, dass der Gesetzgeber den Fixzuschlag von 70 Cent für nicht rabattfähig halte. „70 Cent dürfen nicht unterschritten werden“, so Hall. Der Fixzuschlag sichere und finanziere den gesetzlichen Auftrag der flächendeckenden, wohnortnahen und angemessenen Arzneimittelversorgung.

Mehr sei aber nicht nötig: „Man muss den Großhandel nicht an die Hand nehmen, der macht keine Dummheiten. Der Großhandel muss nicht vor einem Wettbewerb, der ein gewisses Maß überschreitet, geschützt werden“, so Hall. Der Großhandel wisse selbst, wie der Wettbewerb gestaltet werden müsse.

Dann verwies Hall auf das Grundgesetz. Ein Verbot von Skonti greife in die verfassungsrechtlichen Freiheit der Preisgestaltung der Unternehmer ein. Aus Sicht des AEP-Anwalts gibt es keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber Skonti nicht verbieten wollte. Selbst wenn man in der AMPreisV eine Untergrenze sehe, „will ein Mindestpreis nicht die Zahlungsmodalitäten regeln“. Skonto seien im Handwerk üblich und im Handel ebenso. „Hätte der Gesetzgeber Skonti nicht gewollt, hätte er das regeln müssen.“

Dann griff Hall noch einmal tief in die gesetzgeberische Historie: Im „Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Ausgesetztheiten“ der vorletzten Großen Koalition heiße es ausdrücklich: „Skonto sind keine Rabatte“, wenn sie in der Höhe angemessen seien. Dann schilderte Hall das Geschäftsmodell: AEP stelle alle zehn Tage Rechnungen mit fünftägiger Zahlungsfrist. „Die Bedeutung der Skonti für AEP ist erheblich“, so Hall. Denn die Fremdkapitalkosten betrügen 15 bis 20 Prozent.

Das Ziel des durch die Wettbewerbszentrale in Gang gesetzten Verfahrens sei rein wettbewerbsbedingt: „Da wird es jemand gegeben haben, der den Finger auf AEP gezeigt hat. Bei den Konkurrenten werden ganz andere Skonti gezahlt, kostenlose Reisen gewährt.“

Viel hatte der Anwalt der Wettbewerbsneutrale, Dr. Christian Ronke, dem nicht entgegenzusetzen. Nur knappe 15 Minuten nahm sich Zeit: Der Großhandel operiere in einem geregelten Markt. Das gelte auch für den Preis. „Unregelmäßiger Wettbewerb gefährdet die Versorgung“, so Ronke. Begründen wollte er seine These nicht. „Der Gesetzgeber will eine begrenzte Spanne für den Großhandel und keine allgemeinen Freigabe. Daher hat er einen Mindestpreis definiert.“ Der Festzuschlag von 70 Cent dürfe nicht rabattiert werden, so Ronke: „35 Cent kann keiner nehmen, entweder man nimmt den Fixzuschlag ganz oder gar nicht.“

Ronke wiederholte noch die Aussage der Wettbewerbszentrale: „Skonto ist nichts anderes als Rabatt.“ Anders als vom AEP-Anwalt behauptet, seien Skonti keinesfalls überall üblich: „Wenn ich ein Bier bestelle und sofort bezahle, kann ich keinen Skonto nehmen.“ Ob das die BGH-Richter überzeugen konnte, bleibt abzuwarten.

Nur eine Frage stellte das Gericht: Marina Schwänke, Berichterstatterin des BGH für dieses Verfahren, wollte wissen, ob mit dem AEP-Angebot von 5,5 Prozent Rabatt und Skonti nicht der Abgabepreis des Herstellers unterschritten werde. „Das kann unter Einkaufspreis gehen. Aber die Hersteller gewähren ihrerseits doch auch Skonti“, reagierte Hall. Und im übrigen stehe der Apothekenabgabepreis fest und dadurch nicht in Frage: „Das ist das eigentliche Ziel des Gesetzgebers mit der Arzneimittelpreisverordnung.“

Wie das Urteil heute ausfällt, ist nicht erkennbar. Bereits vor der Verhandlung wird üblicherweise von der Berichterstatterin eine Entscheidungsvorlage vorbereitet, die dem Vorsitzenden des 1. Senats vorgelegt wird. Ergeben sich aus der mündlichen Verhandlung neue Aspekte, kann es zu neuen Diskussionen im BGH-Senat für Wettbewerbsfragen kommen.

Das ist aber offensichtlich nicht das Fall. Nach der mündlichen Verhandlung saßen die Richter des 1. Senates entspannt bei Sonnenschein auf der Terrasse der Kantine des BGH zusammen beim Mittagessen. Es gab Spagetti Bolognese und alkoholfreies Bier.

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