77 Gesichter

Brandbrief der AvP-Opfer

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Berlin -

„Wir sind enttäuscht, empört, fassungslos über Ihre Untätigkeit.“ So beginnt ein Brandbrief vom „Verbund Starke Apotheke“ an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Finanzminister Olaf Scholz sowie die Ministerpräsidenten Armin Laschet und Markus Söder. Es geht um die Folgen der AvP-Pleite – 77 Kollegen um Beatrice Guttenberger machen ihrem Ärger Luft und haben ein Foto von sich für das Schreiben zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen der Corona-Krise noch zu „systemrelevanten Helden“ ernannt, seien 3500 Apotheker vollkommen unverschuldet durch die Insolvenz des Abrechnungsdienstes AvP in existenzielle Not geraten – und würden schändlich im Stich gelassen, heißt es in dem Brief. „Ja, wir sind Kaufleute. Aber: wir sind eingebunden in Auflagen, die uns freies wirtschaftliches Handeln unmöglich machen. Niemand von uns rechnet freiwillig über Abrechnungszentren ab! Das ist und bleibt eine von uns bezahlte Serviceleistung FÜR die Krankenkassen.“

Sehr gerne übernehme man die auferlegten Gemeinwohlpflichten: Egal ob Rezepturherstellung, das Richten der Medikamente, Botendienste, das Handling der sich häufenden Lieferengpässe, Substitutionstherapie und vieles andere mehr. „Wir erfüllen unsere Pflichten gerne und engagiert zum Wohle aller!“

Jetzt fordere man aber die Solidarität derjenigen, deren Auflagen zu diesem Super-Gau geführt hätten. „Die Ware ist abgegeben, die Versicherten, Kunden und Patienten sind versorgt. Das Mindeste, was wir aktuell erwarten, ist die Ausschüttung der zugesicherten Quote aus der AvP-Insolvenzmasse in Form eines Fonds. Sofort! Dies würde zu einer enormen Entlastung der betroffenen KollegInnen führen. Und: dies kostet Sie keinen Cent!“

Moralisch richtig wäre aber, einen Rettungsschirm für die fehlenden Gelder aufzubauen. „Es wäre ein Zeichen, dass wir tatsächlich in einer Solidargemeinschaft leben und nicht nur einseitig das Erfüllen von Pflichten gefordert wird. Es obliegt Ihrer Sorgfaltspflicht, den jungen Kollegen die Sicherheit zu geben, dass es noch sinnvoll ist, sich als Apotheker selbstständig zu machen.“

Guttenberger lädt die Politiker zu sich in die Apotheke ein: „Ich würde Ihnen gerne persönlich erzählen, welche Sorgen es heute oft verursacht, wenn teure Rezepte eingereicht werden. Muss ich ein teures Medikament direkt beziehen, belaste ich meinen Kontokorrentkredit. Übersieht man einen Formfehler auf der Verschreibung, folgt die Vollabsetzung. Und ich würde Ihnen gerne erzählen, wie unangenehm unter den aktuellen Rahmenbedingungen die Entscheidung ist, Grippeimpfstoffe im Voraus zu bestellen. Auseinzeln, Übervorrat – jede Entscheidung führt zu finanziellen Verlusten, die in keinem Verhältnis zum Ertrag stehen.“

Als „vergessene Helden“ würden die Opfer der AvP-Insolvenz von Politik und Verbänden alleine gelassen. „Unter uns sind junge KollegInnen, die ihre Apotheke erst vor kurzem gekauft haben und unter der Last der Kredite zusammenbrechen. Unter uns sind KollegInnen kurz vor der Rente, die unmöglich Verpflichtungen bewältigen können, die sie die nächsten zehn Jahre abtragen müssen. Wir wollen nichts geschenkt! Wir wollen nur, was uns tatsächlich zusteht!“

Zum Schluss werden Guttenberger und ihre Mitstreiter noch einmal deutlich: „Wir sind keine privatwirtschaftlichen Unternehmen. Wir sind nicht mal vollwertige und selbstentscheidende Kaufleute. Handeln Sie jetzt – oder Sie machen sich an einem Verrat am Solidarprinzip schuldig!“

 

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