Noch ein Jahr, dann wird die US-Apothekenkette Walgreens neuer Eigentümer von Alliance Boots sein. Fast die Hälfte des Umsatz von 130 Milliarden US-Dollar kommen dann aus Übersee – Grund genug für einige Großaktionäre, laut über einen Umzug in günstigere Steuergefilde nachzudenken. Bei einem Geheimtreffen in Paris wurde vor einigen Wochen über das Für und Wider eines formalen Firmensitzes in der Schweiz gesprochen. Mit dabei: Steueroptimierer Stefano Pessina.
Laut einem Bericht der Financial Times (FT) könnte Walgreens seine Steuerlast von 37,5 auf 20 Prozent senken, wenn die Firmenzentrale formal nicht mehr in Chicago, sondern beispielsweise im schweizerischen Bern angesiedelt wäre. Wie das Blatt unter Berufung auf Berechnungen der Investmentbank UBS vorrechnet, könnte der Gewinn je Aktie so um drei Viertel steigen.
Allerdings droht Walgreens ein massiver Imageschaden: Als Einzelhandelskette mit rund 8000 Filialen könnte sich der Konzern vermutlich nicht so einfach davon schleichen wie so mancher Pharmahersteller. Alliance Boots steht in Großbritannien bereits im Visier von Aktivisten, die sich gegen die Steuerflucht von Unternehmen wenden.
Trotzdem fordert eine kleine Gruppe von Aktionären vom Walgreens-Management genau diesen Schritt. Dazu gehören die Finanzinvestoren Jana Partners, Corvex und Och-Ziff sowie ein Fonds von Goldman Sachs, die zusammen rund 5 Prozent der Aktien halten. Weil sich der Konzernvorstand angesichts des zu erwartenden gesellschaftlichen und politischen Widerstands sperrt, fand am 11. April im noblen Fourseasons-Hotel in Paris ein informelles Treffen statt.
Dort machten die Investorenvertreter laut FT noch einmal ihre Position deutlich. Konzernchef Gregory Dr. Wasson und Finanzvorstand Wade D. Miquelon wurden aufgefordert, eine Verlegung des Firmensitzes nach Europa in Erwägung zu ziehen. Außerdem machte sich die Aktionäre für eine größere Präsenz der Boots-Vertreter in den Walgreens-Gremien stark.
Mit dem Verlauf des Treffens dürfte vor allem einer am Tisch zufrieden gewesen sein: Pessina, der mit 8 Prozent schon jetzt größter Aktionär bei Walgreens ist und dessen Anteil sich mit Abschluss des Deals noch einmal verdoppeln wird. Sollte die US-Apothekenkette tatsächlich nach Europa ziehen, dürfte sein Einfluss automatisch steigen.
So funktioniert das „Prinzip Pessina“: Erst umarmen, dann einverleiben. Dass er nicht selbst offen als Befürworter eines solchen Schritts auftritt, sondern diese Rolle anderen überlässt, spricht umso mehr für sein besonderes strategisches Geschick. Wer „König der Arzneimittel“ werden will, muss als Strippenzieher Allianzen schmieden, bevor er auf den Thron steigen kann.
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