Bondruck ausschalten? Das ist gefährlich! Alexander Müller, 03.01.2020 10:21 Uhr
Für jeden Kunden muss seit Jahresbeginn ein Beleg ausgedruckt werden – auch über den Nichtbetrag von 0 Euro. Der Kunde muss den Bon nicht mitnehmen, kann den Ausdruck aber nicht verhindern, außer per App. Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger erklärt im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC, warum Apotheken den Bondruck in der Software nicht abschalten sollten.
ADHOC: Muss der Beleg ausgedruckt werden, auch wenn der Kunde verzichtet?
BELLINGER: Ja. Die Belegausgabepflicht ist geregelt in § 146 a AO mit einer Konkretisierung in der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV). Damit wird klargestellt, dass es keine „Belegmitnahmepflicht“ gibt. Der Kunde kann die Annahme des Beleges verweigern. Der Unternehmer muss den Beleg allerdings ausstellen, also zwingend drucken.
ADHOC: Ist der digitale Bon zulässig?
BELLINGER: § 6 Satz 3 KassensichV lässt eine digitale Belegerteilung zu. Hierfür gelten allerdings Formate, die ohne Einsatz kostenpflichtiger Software lesbar sein müssen. Es muss sich also um ein standardisiertes Datenformat, zum Beispiel JPG, PNG oder PDF handeln. In Absprache mit dem Kunden darf der Bon auch per E-Mail an den Kunden verschickt werden. Das wird gerade aus Umweltschutzgründen sicher eine Verbreitung finden, wenn es einen kurzen Weg im Warenwirtschaftssystem gibt, den Versand des Bons auf diesem Weg auszulösen.
ADHOC: Zahlbetrag 0 Euro – trotzdem Bonpflicht?
BELLINGER: Ja, das Gesetz enthält keine Bagatellgrenze. Heißt: Zuzahlungsbefreite Kassenpatienten ohne weitere Einkäufe bekommen trotzdem einen Beleg über 0 Euro. Daher ist jedem Apotheker zu raten, sich zügig um einen Vorrat an Kassenrollen zu kümmern. Wieviel Papier genau die Belegausgaben ‚fressen‘, wird man wahrscheinlich erst nach Monaten mit einem sich dann möglicherweise verknappenden Markt beim Anbieter der Papierrollen feststellen.
ADHOC: Welche Sanktion droht bei Verletzung der Bonpflicht
BELLINGER: In § 379 Abs. 1 AO fehlt eine Sanktion für Verstöße gegen die Belegausgabepflicht. Sie wurde wohl schlicht vergessen, obwohl das BMF sie angeblich absichtlich weggelassen hat. In der Praxis wird eine sanktionsfreie Handlungspflicht ein stumpfes Schwert sein, weshalb man eher damit rechnen darf, dass nachträglich eine Ordnungswidrigkeit in das Gesetz eingefügt wird.
ADHOC: Kann man die Belegausgabepflicht im Kassensystem unterdrücken?
BELLINGER: Gerade Apotheker, die Proteste der Kunden unter Umweltschutzaspekten befürchten, schielen wegen der fehlenden Sanktionsmöglichkeit der Finanzverwaltung darauf, schon vom Start weg die Belegausgabe zu unterdrücken. Die Softwarehäuser dürften sich zu Recht schwertun, diesem Wunsch zu entsprechen. Der vermeintliche „Königsweg“ könnte aktuell für viele Softwarehäuser sein, als Grundeinstellung eine automatische Belegausgabe zu programmieren, dem Unternehmer aber die Option zu überlassen, diese Funktion zu deaktivieren.
ADHOC: Aber dazu würden Sie nicht raten.
BELLINGER: Vor einer Deaktivierung kann nur gewarnt werden: Wenn der Gesetzgeber zur Einfügung einer Ordnungswidrigkeit in der AO wechselt, würden das die meisten Apotheker kaum mitbekommen – mit negativen Konsequenzen bei der nächsten Kassen-Nachschau. Die Finanzbeamten können sogar nachträglich feststellen, wann die Belegausgabe aktiviert und deaktiviert wurde, da dies jeweils einen Eingriff in die Parametrisierung des Systems bedeutet, der sehr unkompliziert in der Programmierungshistorie ausgelesen werden kann. Von daher macht es wenig Sinn, einem Unternehmer zur Deaktivierung der Belegausgabe zu raten. Es sollte vielmehr die politische Ebene gesucht werden, die die Belegausgabepflicht in ein vernünftiges Maß bringt.
ADHOC: Kann man sich von der Belegausgabepflicht befreien lassen?
BELLINGER: Eine Befreiungsmöglichkeit gibt es in § 146 a Abs. 2 Satz 2 AO. Das BMF hat allerdings schon signalisiert, davon so gut wie keinen Gebrauch machen zu wollen. Gerade die Bäckerinnung hat wegen ihrer kleinzelligen Beträge um einen Dispens gebeten. Der ist allerdings vom BMF schon zurückgewiesen worden. Die Belegausgabekosten stellen keinen Befreiungsgrund dar, auch das hat das BMF bereits klargestellt.
ADHOC: Warum gilt die Übergangsfrist bis Ende September nicht für die Belegausgabe?
BELLINGER: Die Nichtbeanstandungsregelung des Bundesfinanzministeriums hat zwar für die zertifizierte TSE (Technische Sicherheitseinrichtung, die steuerrelevante Daten aus dem Kassenprogramm schon direkt bei Entstehung manipulationssicher speichert) eine Fristverlängerung vorgesehen, aber nicht für die Belegausgabepflicht. Der Katalog in § 6 der KassenSichV enthält in den Ziffern 4 und 6 Bausteine, die aus der TSE beigesteuert werden sollen. Deren Fehlen blockiert die Belegausgabepflicht aber nicht. Es ist für die Bonpflicht ohne Bedeutung, dass nicht sämtliche Mindestangaben bereitgestellt werden können.
ADHOC: Muss ein QR-Code auf den Bon?
BELLINGER: Nein. Der im Gesetzgebungsverfahren zunächst als Pflicht diskutierte QR-Code hat die Beratungen nicht überlebt. Die Finanzverwaltung ist an dem QR-Code allerdings sehr interessiert, weil er einen Abgleich deutlich erleichtert. Entsprechend enthält der Anhang I der Digitalen Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme 2.0 (DSFinV-K) auf den Seiten 109/110 folgenden Hinweis: „Der QR-Code ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Enthält der Bon zusätzlich einen QR-Code, kann eine Kassennachschau unter Umständen bereits beendet sein, wenn die Beleg-Verifikation funktioniert und die Integrität und Authentizität der Aufzeichnungen durch den beauftragten Amtsträger mit einzelnen Bons geprüft werden kann. Ist kein QR-Code vorhanden, muss entweder aus dem Aufzeichnungssystem (DSFinV-K) oder aus der TSE (EDS) ein Datenexport vorgenommen werden, damit eine Prüfung der Daten erfolgen kann. Eine eventuell vermeidbare Störung des Betriebsablaufs kann somit in diesen Fällen nicht unterbleiben.“
ADHOC: Das heißt, Sie raten zum Druck des QR-Codes?
BELLINGER: Der QR-Code wäre deshalb für die Kassen-Nachschau erleichternd, weil er das Datum des Belegs, den Betrag, den Steuerschlüssel, die Steuer-Identifikations-Nr., das Datum, die Artikelbezeichnung und die Summe enthält. Das macht eine Kontrolle, ob der entsprechende Datensatz parallel in der Warenwirtschaft vorhanden ist, extrem einfach. Die Regelung in der DSFinV-K wird dazu führen, dass im Wettbewerb EDV-Kassensysteme den QR-Code zumindest optional zur Verfügung stellen müssen. Ein Kunde, der von der Vereinfachungswirkung bei der Kassen-Nachschau weiß, wird im Zweifel immer den QR-Code aufdrucken wollen.
ADHOC: Was gilt im Botendienst?
BELLINGER: Apotheker stehen vor derselben Herausforderung wie der frei Haus liefernde Pizzabote: Der Beleg muss nämlich immer „in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Geschäftsvorfall“ erstellt werden. Beim Botendienst endet der Vorgang mit der Bezahlung durch den Kunden nach Erhalt der Ware. Der „unmittelbare zeitliche Zusammenhang“ könnte dann nur dadurch hergestellt werden, dass der Bote zur Apotheke zurückkehrt und dort einen Bon holt, um ihn beim Kunden abzuliefern, sofern er ihn nicht bereits mitgebracht hat. Deshalb ist das Mitgeben des Bons vom Start weg beim Liefervorgang die einzig praktikable Lösung, die noch halbwegs mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist.
ADHOC: Halbwegs?
BELLINGER: Hier ist in der Finanzverwaltung eine Lösung entsprechend der Regelung in Österreich vorgesehen: Mobil getätigte Umsätze können demnach vorab in der Registrierkasse erfasst und die Belege gleichzeitig ausgestellt werden. Erfolgt am Ende doch kein Verkauf, können die ausgestellten Belege bei Rückkehr in die Apotheke storniert werden. Das BMF beabsichtigt, diese praktikable Regelung unserer Nachbarn zu übernehmen. Wählt der Kunde vor Lieferung eine bargeldlose Zahlung, entfällt die Belegpflicht. Er ist dann ein Rechnungs-Kunde.
Zahlt der Kunde absprachegemäß bar beim Empfang der Ware, bieten sich im Wesentlichen zwei Lösungen an. Erstens: Der Bote bekommt den Beleg bereits mit, auch mit Quittierung der erhaltenen Zahlung und händigt diesen Beleg dann gegen Zahlung dem Kunden aus. Bringt, was durchaus üblich ist, der Bote erst am folgenden Tag die Einnahme zur Apotheke, empfiehlt es sich, ein Doppel des Belegs in der Kasse aufzubewahren, um bei einer dazwischen stattfindenden Kassen-Nachschau den Differenzbetrag verifizieren zu können. Oder zweitens: Die Lieferung wird mit einer Einbuchung als Forderung auf den Weg gebracht und die Zahlung des Kunden dann als baren Forderungsausgleich vermerkt. Hier müsste aber eigentlich wegen der Barzahlung eine Bonpflicht einsetzen, was dann die Apotheke zwingen würde, den Boten ein zweites Mal zum Adressaten zu schicken, um ihm den Bon auszuhändigen. Die Finanzverwaltung hat aber signalisiert, hier bei jeder praktischen Lösung mitzumachen.
ADHOC: Was ist mit der Heimversorgung?
BELLINGER: Erfolgen die Lieferungen gegen Monatsrechnung gibt es keine Bon-Pflicht, weil hier eine Rechnung geschrieben wird, die im Zweifel unbar beglichen wird.
ADHOC: Erfüllt die Bonpflicht aus Ihrer Sicht ihren Zweck?
BELLINGER: Die Einführung der Belegausgabepflicht war aus Sicht der Finanzverwaltung zur Bekämpfung von Kassenmanipulationen eindeutig sinnvoll. Die Kassensysteme können den Beleg nämlich nur ausdrucken, wenn das System die Zahlung durch Speicherung registriert hat. Der Beleg hat deshalb diese konservierende Wirkung für die Erlöserfassung, weil vor einer Belegausgabe der Vorgang zwingend zu beenden ist. Mit der Beendigung des Vorgangs ist die Transaktion auch innerhalb der TSE zu beenden. Im Kontext erfolgt die Erzeugung eines Prüfwertes durch die TSE, die eine Signatur erhält. Mit diesem Protokollierungsschritt wird der Zeitpunkt der Beendigung des Vorgangs in die Protokolldaten aufgenommen. Durch die Einspeisung des entsprechenden Datensatzes in die TSE ist eine nachträgliche Manipulation des Kassensystems zur Umsatzverkürzung damit faktisch unmöglich.
Man kann vor diesem Hintergrund bezweifeln, dass nach dem Einfügen der TSE bis spätestens zum 30. September 2020 eine Bonpflicht ohne Bagatellgrenze noch sinnvoll ist. In einem Kassensystem mit implementierter TSE ist kein Vorgang spurlos zu löschen, weil auch der Stornovorgang nicht mehr unsichtbar erfolgen kann. Das gilt künftig auch für den „Sofort-Storno“ – einen Abbruch der Aufzeichnung während des Vorgangs. Da sollte man der Belegausgabepflicht sinnvolle Grenzen setzen. Vor einer politischen Einschränkung der Belegausgabepflicht ist eine im System hinterlegte Unterdrückung der Belegausgabe aber gefährlich. Davon ist abzuraten.