Abmahnwelle

Bodybuilder zerrt Versandapotheken vor Gericht

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Berlin -

Anton „Tony“ Schmitter hat zwei Leidenschaften: Bodybuilding und Motorsport. In der jüngeren Vergangenheit ist, so hat es den Anschein, ein weiteres Hobby dazu gekommen: Versandapotheken abmahnen. Rund zwei Dutzend Versender haben Anfang des Jahres Post von Schmitters Anwalt bekommen, der wiederum in der Apothekenbranche kein Unbekannter ist. Vereinfacht gesagt geht es in verschiedenen laufenden Gerichtsverfahren um zwei Themenkomplexe: Die Angabe des Grundpreises und die Rechtmäßigkeit der Abmahnwelle.

Schmitters große Erfolge in der Bodybuilder-Szene liegen schon einige Zeit zurück, sind aber durchaus beachtlich: 2006 war er Deutscher Meister IFFB in der Klasse Senioren 40+. Doch der Szene ist er treu geblieben. Über seinen Onlineshop Body-Store verkauft er Nahrungsergänzungsmittel, Sportbekleidung und Zubehör, in Köln und Bonn betreibt er zwei Läden mit entsprechendem Sortiment.

Und in dieser Funktion sieht sich der ehemalige Mr. Düren (1988) durchaus in Konkurrenz zu Versandapotheken. Konkret geht es um den Verkauf von Aminosäure-haltigen Präparaten. In Schmitters Läden gibt es Spezialprodukte für Sportler als Pulver, Drops, Tabletten oder Kapseln, zum Beispiel die „Body Attack Gaba Gold“. In vielen Apotheken gibt es Doppelherz. Und Hersteller Queisser hat mit den „Aminosäuren Vital Kapseln“ ein immerhin vergleichbares Produkt auf dem Markt, auch wenn die Zielgruppen nicht vollkommen kongruent sein dürften.

Wegen der Bewerbung von Doppelherz oder anderer Aminosäure-Präparate wurden etliche Versandapotheken abgemahnt. Schmitters Anwalt, Patrick Richter von der Hamburger Kanzlei RST, moniert einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung: Bei den Präparaten fehle die Grundpreisangabe, so das Argument. Den Preis je Mengeneinheit – etwa pro Liter, Kilogramm oder 100 g – sieht der Gesetzgeber zur besseren Vergleichbarkeit als zusätzliche Angabe vor.

Die geforderte Unterlassungserklärung gaben die Abgemahnten allerdings mit wenigen Ausnahmen nicht ab, so dass viele Fälle vor Gericht landeten – mit unterschiedlichem Ausgang. Ganz aktuell musste das Duo Schmitter/Richter vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG) in der vergangenen Woche erneut eine Niederlage einstecken. In einem Hinweisbeschluss kündigen die Richter an, dass sie die Berufung gegen die Entscheidung Landgerichts Köln (LG) einstimmig zurückweisen werden.

Hier sticht das Argument, dass die Aminosäurekapseln in Stückzahlen vertrieben werden und dass dies auch aus Verbrauchersicht die „natürliche Mengeneinheit“ sei. Die entsprechende Ausnahmevorschrift werde zwar üblicherweise bei Obst und Gemüse oder bestimmten Backware angewendet, hier sei aber die Zusammensetzung der Kapseln entscheidend. Die Angabe der Füllmenge habe für den Verbraucher überhaupt keinen Vorteil, weil das Gewicht wegen der Zugabe anderer Füllmittel nicht maßgeblich sei. Andere Aminosäurepräparate, die etwa in Pulverform angeboten werden, sind aus Sicht der Richter daher ohnehin nicht vergleichbar.

Das OLG Köln kündigt also an, sich einer Entscheidung aus Celle anzuschließen. Das dortige OLG hatte im selben Sachverhalt bereits im Juli gegen Schmitter entschieden, die Austauschbarkeit der Präparate erschien dem Senat zweifelhaft: Während sich Präparate wie „Best Body Hardcore Amino“ erkennbar an Bodybuilder richteten, habe die Apotheke mit ihren Doppelherz-Produkten vor allem Menschen im Blick, die Defizite bei der Nahrungsaufnahme ausgleichen wollten. Ausführlich hat das OLG Celle auch begründet, warum es hier auf die Stückzahl ankommt.

Doch nicht alle Gerichte folgten der Logik dieser Argumentation. So musste das OLG Celle die Entscheidung des LG Lüneburg aufheben, die zugunsten des Bodybuilders ausgefallen war. Und mit OLG Düsseldorf hat sogar ein Obergericht Schmitters Seite recht gegeben. Der Grundpreis sei immer anzugeben, wenn eine Angabe zur Füllmenge gemacht werden müsse, so das Argument. Das treffe auf das Amonisäureprodukt als Lebensmittel zu. Auch wenn der Verbraucher aufgrund der Verzehrempfehlung zu den Kapseln wisse, wie lange eine Packung reicht, sei die Grundpreisangabe nicht „vollkommen sinnlos“, wie die Verteidigung vorgetragen hatte.

Da es abweichende OLG-Urteile gibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Frage nach der Grundpreisangabe irgendwann vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landen wird. Ob sich das Ganze für Schmitter lohnt und die Konkurrenz zu Doppelherz wirklich so groß ist, hängt wohl auch von dessen Verhältnis zu seinem Anwalt Richter ab. Denn der Verdacht der rechtsmissbräuchlichen Abmahnung steht im Raum.

Was dafür sprechen könnte, dass es vor allem um das gemeinsame Eintreiben von Abmahngebühren geht, ist die beachtliche Aktivität. Im ersten Halbjahr wurden 39 Abmahnungen ausgesprochen. Ein Teil betraf Fitnessernährungsanbieter auf Ebay, aber etwa zwei Dutzend wurden wortgleich am 5. Februar an Apotheken wegen der vermeintlichen Verstöße gegen die Preisangabenverordnung verschickt.

Und da Rechtsanwalt Richter viele namhafte Versandapotheken angeschrieben hat, hat er nun auch das „Who is Who“ der deutschen Arzneimittelrechtler gegen sich: Ob Oppenländer, Diekmann, Friedrich Graf von Westphalen oder Juravendis – jede Kanzlei hat mindestens einen Fall und das spricht sich zwangsläufig irgendwann herum.

Die Handelskammer des LG Hamburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung genau aus diesem Grund zurückgewiesen. Es gebe „keinerlei wettbewerbliches Interesse“, heißt es im Beschluss. Eine Abmahnung sei unzulässig, wenn sie „vorwiegend dazu dient […] einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen“. Ein Missbrauch liege vor, wenn es überwiegend sachfremde Ziele wie das Eintreiben von Gebühren als die eigentliche Treibfeder und das beherrschende Motiv erschienen, so das LG Hamburg.

Das OLG Düsseldorf hatte dagegen nicht nur den Verstoß gegen die Pflicht zur Grundpreisangabe gesehen, sondern ausführlich auch den Rechtsmissbrauch der Abmahnung verneint. Ausreichende Indizien lägen nicht vor. Es reiche auch nicht, dass Rechtsanwalt Richter schon 2016 vom OLG Hamburg „ein massiv missbräuchliches Vorgehen attestiert wurde“. In dem Fall hatte er eine Apothekerin vertreten und zwischen 2011 und 2012 rund 170 Abmahnungen ausgesprochen.

Das könne seinem neuen Mandanten Schmitter aber nicht zugerechnet werden, so die Düsseldorfer Richter. Wenn dieser in Preissuchmaschinen sehr schnell 200 aus seiner Sicht wettbewerbswidrige Angebote gefunden habe, sei es legitim, 25 Versender abzumahnen. Schmitter betont auf Nachfrage, dass es ihm um die Sache geht. Er investiere viel Zeit und Geld, um alle Angaben korrekt zu machen, während sich andere Marktteilnehmer nicht sonderlich darum kümmerten.

Sein Rechtsanwalt hatte den Gegenstandswert jeweils auf 10.000 Euro festgesetzt und den Abgemahnten entsprechend knapp 900 Euro in Rechnung gestellt. Sein Mandant hatte damit allein bezogen auf die erste Instanz ein Prozesskostenrisiko von etwas mehr als 100.000 Euro. Da die Sache vermutlich bis vor den BGH getrieben wird, hat Schmitter im schlimmsten Fall noch deutlich mehr zu stemmen.

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