Biotechfirmen warten auf Geldgeber dpa, 30.05.2016 18:36 Uhr
Amgen, Biogen, Gilead: Große Biotechfirmen in den USA stehen für Milliardenumsätze und modernste Therapien. In Deutschland dagegen fristen viele Biotechs noch ein Hinterhofdasein – ihnen fehlt es an risikobereiten Geldgebern.
Eigentlich könnte es nicht besser laufen: In der Biotechbranche geht es schon lange nicht mehr nur um Ideen – jahrelange Forschung und handfeste Ergebnisse haben einstige Hoffnungsträger in Umsatzbringer verwandelt. Aber während in den USA Unternehmen wie Amgen und Gilead in den vergangenen Jahren in die Liga von „Big Pharma“ aufstiegen, gehören die erfolgreichen Biotechs in Deutschland zu den Ausnahmen. Viele Firmen haben nach wie vor Not, Geld für ihre Ideen aufzubringen, obwohl Investoren weltweit nach aussichtsreichen Anlagemöglichkeiten suchen.
In Europa wagten in den vergangenen zwei Jahren je 33 Biotech-Firmen den Gang aufs Börsenparkett – nur drei davon waren aber deutsche Unternehmen. Die schwäbische Diagnostikfirma Curetis und der Alzheimer-Spezialist Probiodrug aus Halle suchten sich die Euronext in Amsterdam und der Heidelberger Krebsspezialist Affimed die Nasdaq in New York als Börsenplätze aus, um Geld bei Investoren einzusammeln. Dort gibt es die meisten Biotech-Firmen.
„Die Euronext ist für Biotech zu einem führenden Segment in Europa geworden“, sagt Hendrik Liebers, Finanzchef von Probiodrug. Dort habe sich ein Ökosystem entwickelt aus Banken, die sich in dem Bereich stark aufgestellt haben, aus Analysten, Biotechnologiefirmen, Kapitalmarktdienstleistern, Beratern und Investoren. Und wo es einmal gut läuft, da ziehe es auch andere hin, sagt Liebers. „Erfolgsgeschichten machen Märkte.“
Dass sich etwa in Frankfurt vergleichsweise wenig in Sachen Biotech tut, liegt laut Siegfried Bialojan vom Beratungsunternehmen Ernst & Young an der Risikoscheue bei Aktieninvestments. In der deutschen Kultur stünden in der Unternehmensfinanzierung vielmehr Kredite ganz oben. Biajolan schlägt vor, die Besteuerung von Gewinnen aus Risikoinvestments günstiger aus- oder sogar ganz wegfallen zu lassen. Diese Steuern seien ohnehin erst zu zahlen, wenn ein Gewinn anfalle.
Zuspruch bekommt er von Ex-Bayer-Chef Marijn Dekkers. Damit die Branche innovativer werden könne, müssten sich die externen Finanzierungsbedingungen für Innovation verbessern, sagte Dekkers vor kurzem. „Zum Beispiel brauchen wir (...) in Deutschland ein Wagniskapitalgesetz, damit junge Unternehmen leichter an Startkapital herankommen.“
Viele der heute erfolgreichen Unternehmen aus dem Sektor haben es dank privater Geldgeber wie den Strüngmann-Brüdern oder SAP-Gründer Dietmar Hopp geschafft. Dazu gehört das Tübinger Unternehmen Curevac, das Medikamente auf Basis der Boten-RNA (mRNA) entwickelt und das mit Microsoft-Gründer Bill Gates im vergangenen Jahr sogar noch prominentere Unterstützung fand. Andere kooperierten mit großen Pharmafirmen, um ihr Wachstum anzukurbeln, etwa Morphosys aus der Nähe von München.
Als erstes Biotech-Unternehmen seit Jahren hat sich im Februar die südhessische Brain AG an die Deutsche Börse in Frankfurt gewagt. Anders als die meisten Firmen setzt Brain nicht auf Pharmaprodukte, sondern auf Bioökonomie – die Entwicklung von Industriematerialien auf biologischer Basis. Dabei kooperiert Brain mit Chemie- und Konsumgüterherstellern.
Für die Branche konstatiert Brain-Geschäftsleitungsmitglied Martin Langer einen seit den 1990er Jahren andauernden „Brain drain“, also ein Abwandern der klugen Köpfe, vor allem in Richtung USA und Schweiz. „Das ist eine Entwicklung, die für eine Volkswirtschaft höchst frustrierend ist“, sagt Langer. Zumal wenn wie in Deutschland viel Geld in die Forschunerngsförderung und die Ausbildung der Wissenschaftler geflossen ist.
Nur Biotech-Firmen mit einer verständlichen und glaubhaften Unternehmensstory können nach Einschätzung Langers in Deutschland einen Börsengang wagen. Außerdem sollten die bisherigen Geldgeber bereit sein, dem Unternehmen die Treue zu halten. Dass Altaktionäre „Kasse machen“, komme bei potenziellen Investoren gar nicht gut an. Bis dahin sei es nötig, entweder Kooperationen mit großen Unternehmen einzugehen oder private Investoren zu finden.