Pflanzliche Arzneimittel sind en vogue – doch der Markt stagniert seit längerem oder entwickelt sich sogar rückläufig. Erst im vergangenen Jahr gab es wieder leichte Zuwächse. Eine der wenigen Ausnahmen ist Bionorica: Gegen den Trend baut das Familienunternehmen seinen Umsatz seit Jahren kontinuierlich aus. Auch 2013 war der Hersteller aus dem bayerischen Neumarkt dem Markt weit voraus. Dank der ausgeprägten Erkältungswelle ging sogar die Neueinführung von Sinupret extract ohne größere Kannibalisierung vonstatten. Die aktuellen Risiken sieht Firmenchef Professor Dr. Michael Popp als Herausforderungen, die es zu lösen gilt.
233 Millionen Euro erwirtschaftete Bionorica im vergangenen Jahr, auch 2014 wird ein Plus von rund 15 Prozent angepeilt. Der Auslandsanteil liegt mittlerweile bei 61 Prozent. Wichtigste Märkte sind Deutschland und Russland, auf die jeweils rund 80 Millionen Euro entfallen.
Während hierzulande 71 Prozent der Erlöse mit Sinupret erwirtschaftet werden, sind es in den osteuropäischen Ländern dank des Erfolgs von Canephron nur 31 Prozent. Insgesamt kommt das Erkältungsmittel auf 105 Millionen Euro und 23 Millionen Packungen – kein anderes pflanzliches Arzneimittel ist erfolgreicher.
Entsprechend riskant erschien daher Ende 2012 die Idee, der eigenen Marke mit Sinupret extract Konkurrenz zu machen. Doch anders als Boehringer Ingelheim bei Boxgrippal ließen die Viren Bionorica nicht im Stich: Sinupret und Sinupret forte konnten sich stabil halten, die Umsätze aus der Neueinführung kamen zusätzlich hinzu, sodass das Geschäft 2013 letztendlich um ein Viertel ausgeweitet werden konnte.
Problematisch ist die Abhängigkeit von Sinupret für Bionorica allemal. Trotzdem will Popp die Produktpalette nicht um jeden Preis ausbauen. „Unser Portfolio ist groß genug für uns“, sagt er. Dass kleinere Wettbewerber 200 Präparate und mehr im Sortiment haben, kann er nicht verstehen: „Ich frage mich: Wie geht das?“
Allerdings macht der Bionorica-Chef kein Geheimnis daraus, dass er an Steigerwald und dem Magenmittel Iberogast sehr interessiert gewesen wäre. „Aber im Wettbewerb mit Bayer sind Sie einfach chancenlos“, räumt er ein. „Man muss sich Zukäufe leisten können.“ Er werde nichts unternehmen, was die Eigenkapitalquote gefährde. „Ich werde mich nicht in die Abhängigkeit von Banken begeben. Wir können auch organisch wachsen.“
Popp will weiter forschen, etwa was Indikationserweiterungen angeht. Sinupret extract sei ein Beispiel für eine „absolute Innovation“ aus dem eigenen Hause. „Mit solchen Neueinführungen können Sie auch in Zukunft rechnen“, verspricht er. Aktuell will Bionorica in China Fuß fassen, und hat dort jüngst eine Tochtergesellschaft zum Vertrieb der Präparate gegründet. Außerdem sollen die Produktion in Deutschland verdoppelt und ein neuer Standort im russischen Woronesh etabliert werden.
Dank der wissenschaftlichen Studien kann sich Bionorica auf die Empfehlung der Ärzte und ihrer Fachgesellschaften verlassen. In den Apotheken geht das Team um Marketing- und Vertriebsvorstand Dr. Uwe Baumann und den deutschen Marketingchef Richard Hecker immer wieder neue Wege. Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise eine Kampagne zu Canephron, bei der die Mitarbeiter ihre Kunden nicht nur zu individuellen Gesprächsterminen einladen, sondern auch Fragebögen zur eigenen Beratungsleistung ausfüllen lassen konnten. „Wir helfen den Apotheken, ihr Umfeld besser kennenzulernen“, sagt Popp.
Ein weiteres Projekt, auf das der Firmenchef besonders stolz ist, sind die mittlerweile 525 Phytotheken, deren Abverkaufserfolg er selbstverständlich in einer Vergleichsstudie messen lassen hat. „Wir haben mit der Phytothek als erste Firma geschafft, was viele Anbieter vor uns ohne Erfolg versucht haben.“
Das Argument, sein Unternehmen habe es dank seiner komfortablen Situation einfacher als die Mitbewerber in der Sichtwahl, lässt Popp nicht gelten. Auch Bionorica habe bereits so manche Herausforderung meistern müssen. Der Ausschluss von OTC-Produkten aus der Erstattung durch die Krankenkassen beispielsweise sei eine Katastrophe gewesen. „Wir waren die am stärksten betroffene Phytofirma. Am Ende haben wir auch 2004 gut abgeschlossen.“
Popp räumt ein, dass Bionorica in Deutschland noch zu abhängig von seinen Erkältungsprodukten ist. Im Gynäkologiebereich etwa habe man den Fokus bislang auf das Auslandsgeschäft gelegt. „Wir besuchen hierzulande die Frauenärzte noch nicht.“ Sobald man ein Produkt aktiv vertreibe, sehe man auch sofort Erfolge, sagt Popp. In Russland sei man mit der Vermarktung des gesamten Sortiments schon deutlich weiter als auf dem Heimatmarkt.
Tatsächlich ist Russland der zweite große Abhängigkeitsfaktor für das Unternehmen. Schon kurz nachdem Bionorica 1997 eine Repräsentanz in Moskau aufgebaut hatte, war der Rubel massiv eingebrochen. Popp jammerte nicht, sondern investierte.
Nach verkauften Packungen ist Russland für das Unternehmen heute der wichtigste Markt – mit allen Konsequenzen, die der Ukraine-Konflikt mit sich bringt. „Unternehmer zu sein ohne Herausforderungen ist wie Suppe ohne Salz“, sagt Popp, der seit Jahren auch politische Kontakte pflegt. „Probleme sind da, um gelöst zu werden. Wer sie besser löst, ist erfolgreicher.“
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