Mikrobiom

Biomes: Darmflora als Lifestyle

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Berlin -

Beim Begriff „Lifestyle-Produkt“ denkt wohl kaum jemand an Stuhlproben. Dr. Paul Hammer tut es. Er hat unter anderem Selbstoptimierer und Self-Tracker ins Visier genommen. Sein Angebot: die erste DNA-basierte Darmflora-Analyse für zu Hause. In 500 Apotheken will er mit seinem Unternehmen Biomes bis Ende 2019 präsent sein, fünf sind es bisher. Den Apothekern will er seinen „Intest.pro“ nicht nur mit einer guten Marge schmackhaft machen, sondern vor allem mit der Kundenbindung.

Ob Reizdarm, Allergien oder Übergewicht – viele Gesundheitsprobleme haben ihren Ausgangspunkt höchstwahrscheinlich im Mikrobiom. Rund 80 Prozent aller Immunreaktionen gingen vom Darm aus, erklärt Hammer. Das Thema hat seit einigen Jahren Konjunktur, obwohl – oder gerade weil – es bisher wenig wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse dazu gibt, wie hoch genau die klinische Relevanz von dessen Zusammensetzung ist. Auch Biomes – laut Hammer eine „Kombination aus Biotechnologie und Digital Healthcare“ – verweist mehrfach darauf, dass es sich bei seinem Test nicht um ein Medizinprodukt handelt und die Empfehlungen den ärztlichen Rat nicht ersetzen können.

129 Euro kostet ein Kit in der Apotheke; ein auf den ersten Blick stolzer Preis, für den Hammer aber auch einiges verspricht: „Klassische Stuhlanalysen sind nicht DNA-basiert und können deshalb nur 10 bis 15 Prozent aller Mikroben überhaupt erfassen, unter anderem, weil schon beim Transport der Probe rund 80 Prozent der Bakterien sterben“, erläutert er. „Unsere DNA-Analyse kann nahezu 100 Prozent der rund 1000 verschiedenen Bakterien identifizieren und quantifizieren.“

Dazu müsse man nur nach dem Stuhlgang mit dem Wattestäbchen aus dem Kit das benutzte Toilettenpapier abtupfen – „Weniger ist mehr!“, rät Hammer dabei – und die Probe dann in das beiliegende Gefäß geben, das eine DNA-stabilisierende Lösung enthält. „Nachdem wir die Probe erhalten, trennen wir vor der Analyse zuallererst menschliche und bakterielle DNA. Deshalb sind wir nicht vom Gendiagnostikgesetz betroffen.“ Die bakterielle DNA wird angereichert, in digitale DNA umgewandelt und dann mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung analysiert.

Für den Anwender geht es danach digital weiter, die Auswertung der Ergebnisse erhält er online. In einem Dashboard sind sowohl die Werte der einzelnen Bakterienstämme aufgeschlüsselt, als auch deren Interpretation und darauf aufbauend Handlungsempfehlungen zur Regulierung des Immunsystems, Körpergewichts, für Ernährung und Verdauung sowie zur Vermeidung von Unverträglichkeiten.

1500 dieser Test-Kits hat Biomes seit Einführung des Produkts im Februar bereits verkauft, hauptsächlich im Direktvertrieb über die eigene Homepage. Doch das soll sich ändern, denn Hammers Plan ist es, seine Tests als beratungsintensives Lifestyle-Produkt auch offline zu etablieren, namentlich in Reformhäusern, bei Heilpraktikern und vor allem in Apotheken. Fünf Apotheken in und bei Berlin führen das Produkt schon, mit Apotheken in anderen Städten werden schon Verhandlungen geführt.

Bis dahin hat die 16 Mitarbeiter starke Ausgründung der Technischen Hochschule Wildau noch einen langen Weg vor sich. Allerdings kann sie den Apotheken auch einige Verheißungen machen: Nicht nur die Marge sei bei einem 129 Euro teuren Test attraktiv. „Viel attraktiver ist für den Apotheker die Kundenbindung“, sagt Hammer. Biomes schult die Pharmazeuten nämlich zu dem Test. Anstatt sich selbst durchs Dashboard zu klicken, kann der Anwender seine Auswertung an den Apotheker schicken lassen, der sie dann interpretiert und Empfehlungen gibt.

„Bisher schießen die Apotheker ja bei der Beratung zum Mikrobiom eher ins Blaue. Jetzt aber haben sie ein wissenschaftlich fundiertes Instrument, um dem Kunden zu sagen, was in seiner Darmflora fehlt oder zu viel vorhanden ist – und ihm dann die richtigen Produkte zu verkaufen, um seine Beschwerden zu lindern“, erläutert der 36-Jährige. Die entsprechenden Probiotika hat Biomes natürlich auch im Sortiment, doch Hammer beeilt sich, zu versichern, dass die Apotheke natürlich auch jedes andere Produkt verkaufen kann, das geeignet ist. Zwar sei die Zielgruppe riesig – je nach Schätzung sollen bis zu 15 Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig unter Darmbeschwerden leiden – doch räumt auch Hammer ein, dass nicht jede Apotheke für den Vertrieb geeignet. „Es sollten schon Apotheken sein, die in einem Umfeld mit zahlungskräftiger Kundschaft liegen“, so Hammer.

Außerdem handele es sich um ein sehr beratungsintensives Produkt, es müsste also eine Offizin sein, die viel Wert auf Beratung legt, entsprechende Erfahrung und bestenfalls auch einen abgetrennten Raum dafür hat. Seine Idee, die auch in den Apothekerschulungen vermittelt wird: „Die Empfehlung für den Test sollte am besten an das Kaufverhalten der Kunden gekoppelt werden. Wenn jemand beispielsweise Antibiotika kauft, kann man ihm empfehlen, nach deren Anwendung einen Mikrobiom-Test zu machen, um eventuell negative Folgen der Antibiotika-Therapie zu kurieren.

Und in Wildau denkt man bereits über die nächsten Produktreihen nach. So ist neben einem „Intest.pro Kids“, der auf die Besonderheiten der Darmflora von Kindern ausgerichtet ist, auch ein Test namens „Skin Pro“ für das Mikrobiom auf der Haut geplant. „Der ist vor allem für Menschen geeignet, die sich oft die Hände desinfizieren, Krankenschwestern beispielsweise“, erklärt Hammer. Die Priorität sei aber weiterhin, erst einmal die Verbreitung des „klassischen“ Mikrobiomtests zu erhöhen. „Unser Ziel ist, irgendwann ganz Europa mit unseren Tests zu bedienen.“

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