Kommentar

Billig-Wahnsinn mit DocMorris Patrick Hollstein, 14.05.2024 11:43 Uhr

Dass die Versender sich systematisch über geltendes Recht hinwegsetzen, wird stillschweigend in Kauf genommen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Es gibt sie, die Fans von DocMorris. Menschen, die ihre Rezepte nach Holland schicken, sich mit den Unzulänglichkeiten dieses Bezugswegs zufriedengeben und nur bei akutem Bedarf dann doch wieder in die Apotheke vor Ort gehen. Der Billig-Wahnsinn war politisch gewollt – und dass die Versender sich systematisch über geltendes Recht hinwegsetzen, wird stillschweigend in Kauf genommen. Es wird höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen!

Zugegeben, viel Umsatz machten DocMorris und Shop Apotheke zuletzt nicht mehr im Rx-Bereich. Aber hart gesottene Stammkunden blieben den Versendern im niederländischen Exil auch nach der gesetzlich verhängten Rabattsperre treu – weil die nämlich ungeachtet der Gesetzeslage weiter großzügig mit Rabatten um sich werfen.

Seit mittlerweile vier Jahren sind Boni explizit auch beim Versand aus dem Ausland verboten. Aber in Holland ist man vor dem Zugriff deutscher Behörden eben weitgehend geschützt. Noch nicht einmal ein Ausschluss aus dem Rahmenvertrag kommt offenbar in Betracht. So richtig vorgehen will gegen die illegalen Aktivitäten ohnehin niemand – unklare Zuständigkeiten und der wirre Wunsch nach mehr Wettbewerb scheinen jedes Interesse nach geordneten Zuständen abgewürgt zu haben.

Schilderungen von Stammkunden zeigen, dass man den Rx-Bonus nach wie vor in erklecklichem Umfang abgreifen kann. 200 Euro im Jahr dafür, dass man seine Rezepte brav über die Grenze schickt – der Wahnsinn hat Methode. Bei einem Testkauf im Januar wurden wegen mehrerer Verzögerungen sogar gleich drei Boni gutgeschrieben. Kein Wunder, dass sich so mancher Patient mit dem abgespeckten Leistungsversprechen zufriedengibt: Wenn es bei Pannen auch noch eine zusätzliche Entschädigung gibt, wird selbst die verspätete Lieferung noch attraktiv. Und im Notfall kann man ja immer noch in die Apotheke um die Ecke gehen.

Solche Sichtweisen sind sogar nachvollziehbar. Aber sie legen zugleich offen, warum es eben nicht dem Verbraucher überlassen werden kann und darf, nur aus seiner subjektiven und womöglich selektiven Wahrnehmung heraus Entscheidungen zu treffen. Aus gutem Grund soll verhindert werden, dass Kranke von Apotheke zu Apotheke ziehen müssen, um das günstigste Angebot für ihre Gesundheit zu finden. Warum dieser Grundsatz im Versandhandel nur halbherzig durchgezogen wird, erschließt sich nicht.

Solange dem wilden Treiben nicht endlich rigoros nachgegangen wird, werden sich immer Kunden finden, die den (illegalen) Rabatt mitnehmen wollen (oder müssen). Die einen Preisnachlass über die eigene Gesundheit stellen. Und ihre individuellen Einsparungen über die Stabilität des Systems.

Eins muss klar sein: Mit dem E-Rezept wird der Kampf um die Chroniker wieder an Schärfe zu nehmen. Denn CardLink alleine wird den Versendern noch keine neue Kundschaft bringen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass unter allen nur erdenklichen Vorwänden wieder Boni ausgelobt werden. Bislang ist der Aufschrei ausgeblieben. Aber je enger es für DocMorris & Co. wird, umso destruktiver wird das Geschäftsgebaren werden.

Einst ließ sich DocMorris als „kreativer Zerstörer“ feiern – und viel zu lange haben die (wechselnden) Verantwortlichen in Politik und Verwaltung diese gefährliche Strategie durchgehen lassen. Der Staat hat den verfassungsrechtlichen Auftrag, die Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefahren zu bewahren. Es wird Zeit, dass er ihn endlich ernst nimmt!