„Schnelle Wundheilung“

BGH: Zweite Chance für Medigel

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Berlin -

Medice bekommt eine zweite Chance, seine Werbeaussagen für Medigel vor Gericht zu verteidigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab einer Nichtzulassungsbeschwerde des Herstellers statt und verwies das Verfahren zurück an das Oberlandesgericht Hamm (OLG).

Das frühere Soventol Wund- und Heilgel wird seit 2018 unter dem Namen Medigel vertrieben; das hydroaktive Lipogel mit Zink und Eisen ist ein Medizinprodukt und wird zur Behandlung akuter und chronischer Wunden eingesetzt. In der Produktbezeichnung und entsprechend in der Gebrauchsanweisung ist der Zusatz „schnelle Wundheilung“ enthalten. „Schnell. Effektiv. Für alle Wunden im Alltag“, heißt es auch in den Produktinformationen.

Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) hatte mangels wissenschaftlicher Absicherung gegen die aus seiner Sicht irreführende Werbung geklagt. Anders als das Landgericht Hagen (LG) schloss sich das OLG im Frühjahr dieser Auffassung an. Das Problem: Im vorangegangenen Eilverfahren hatte das OLG selbst die Sache noch anders gesehen.

Laut BGH wurde damit gegen Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verstoßen, nach dem jede Partei vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Da der Hersteller erstinstanzlich noch gewonnen hatte, hätte das OLG einen Hinweis erteilen müssen, dass es die Sache anders sah als das LG und auch anders als in seiner eigenen Entscheidung im Eilverfahren beurteilt. Medice hatte damit keine Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung [...] gekommen wäre, wenn es den nach einem entsprechenden Hinweis gehaltenen Vortrag der Beklagten berücksichtigt hätte.“

Und auch mit Blick auf die Beweisaufnahme stelle sich die Sache als „gehörsrechtsverletzende Überraschungsentscheidung“ dar. Weder das eingeholte schriftliche Gutachten noch die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen seien ausreichend berücksichtigt worden. Angesichts der Vorträge hätte ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nicht mit der dann erfolgten Entscheidung rechnen können.

Außerdem: Gerade wegen der eigenen fehlenden medizinischen Sachkunde habe das Gericht ja einen Gutachter befragt – da könne es nicht einfach von dessen Einschätzung abweichen, ohne ihn genau dazu zu befragen oder einen anderen Sachverständigen zu beauftragen. „Hiervon hat es zu Unrecht abgesehen. Bei einer Fortsetzung der Beweisaufnahme hätte sich das Berufungsgericht möglicherweise die erforderliche Gewissheit darüber ver- schafft, dass die Werbeangaben der Beklagten wissenschaftlich abgesichert sind.“

Die Sache geht nun zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das OLG.

Keine Expressheilung

Das OLG hatte seine Entscheidung damit begründet, dass zwar Ärzte und Apotheker den Hinweis auf „schnelle Wundheilung“ dahingehend verstehen, dass die Prozesse ungestört ablaufen. Der Verbraucher erwarte aber, dass der gesamte Prozess schneller vollständig abgeschlossen ist als bei einer unbehandelten Wunde – diese gelte umso mehr bei vollmundigen Versprechen wie dem Subclaim bei Medigel.

Außerdem werde der Eindruck erweckt, dass der Effekt bei allen in der Gebrauchsanweisung genannten Wundarten gleichermaßen schnell eintrete, also bei akuten Wunden wie Schürf-, Schnitt-, Kratz- und Bisswunden sowie Platz- und Risswunden genauso wie bei Verbrennungen 1. und 2. Grades (Blasenbildung) und Sonnenbrand sowie gereinigten, mäßig nässenden, nicht infizierten chronische Wunden (Dekubitus 2. Grades).

Eine derartige Wirksamkeit sei aber ebenfalls wissenschaftlich nicht belegt, da in der klinischen Studie nur sehr kleine oberflächliche Schürfwunden mit dem Produkt behandelt worden waren. Bis heute existiere kein wissenschaftlicher Beweis dafür, dass die betreffenden Studienergebnisse auf andere Wundarten übertragbar seien, so das Gericht.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige gab zwar an an, dass die Ergebnisse vermutlich übertragbar seien, wollte aber auf „ausdrückliche Nachfrage“ des Gerichts seine Hand dafür nicht ins Feuer legen. Somit könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass bei der Behandlung anderer Wundarten eine Veränderung der Wundheilungsgeschwindigkeit wie in der Studie zu beobachten sein werde. Dies müsse vielmehr jeweils konkret untersucht werden.

Packung wurde umgestellt

Die Aussagen dürfen daher nicht mehr genutzt werden; betroffen von der Entscheidung waren das Behältnis, die Packung und die Gebrauchsanweisung des Produktes sowie sämtliche Werbemaßnahmen. Revision hatte das OLG Hamm nicht zugelassen.

Umgestellt hatt der Hersteller seine Ware trotzdem, seit dem Urteil werden keine Packungen mehr mit dem Claim ausgeliefert.

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