Pharmamarketing

BGH: Kein Preisdeckel für Apotheken-Muster

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Berlin -

Dürfen Pharmahersteller Apotheken mit Gratismustern ihrer Produkte versorgen? Diese Frage muss jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) beantworten; der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Streit um Diclo Ratiopharm um Vorabentscheidung gebeten. Sollten die Richter in Luxemburg grünes Licht geben, wäre der Produktwert jedenfalls egal, so die Vorabbotschaft aus Karlsruhe.

Ratiopharm hatte sein Schmerzgel im Sommer 2013 überarbeitet. Das Vorgängerprodukt war nach Angaben des Herstellers wegen seines Geruchs und der Verteilbarkeit von Apotheken bemängelt worden. Deshalb sollte der Außendienst das neue Gel direkt vorstellen. Weil die Apotheker die Tube mit 100 Gramm (N2) und der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ behalten durften, mahnte der Voltaren-Hersteller Novartis den Konkurrenten ab.

In § 47 Arzneimittelgesetz (AMG) ist geregelt, dass Hersteller Muster an Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte abgeben dürfen. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist der Bezugskreis erweitert um „andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde berufsmäßig ausüben“. Schließlich dürfen die Hersteller Muster an Ausbildungsstätten für die Heilberufe „in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang“ abgeben.

Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) sah in der Aktion einen Verstoß gegen diese Vorschrift und damit gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und bestätigte ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Hamburg (LG). Der BGH sieht die Sache weniger eindeutig und verweist darauf, dass die Frage auch unter Juristen umstritten ist. Einerseits werde die Meinung vertreten, dass Apotheker unter den Adressaten nicht genannt seien und dass es auch keinen Bedarf gebe, Pharmazeuten anhand von Mustern zu informieren. Andererseits werde argumentiert, dass die Abgabe von Mustern an Apotheker auch nicht explizit verboten und eine Ungleichbehandlung von Ärzten und Apothekern unzulässig sei.

Die Richter in Karlsruhe suchen die Antwort nun in der EU-Richtlinie für Humanarzneimittel, mit der die Vorgaben europaweit harmonisiert wurden. Demnach dürfen Muster zwar „nur ausnahmsweise […] an die zur Verschreibung berechtigten Personen abgegeben werden“. In den Erwägungsgründen heißt es dagegen: „Gratismuster von Arzneimitteln sollten unter Einhaltung bestimmter einschränkender Bedingungen an die zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Personen abgegeben werden können, damit sich diese mit neuen Arzneimitteln vertraut machen und Erfahrungen bei deren Anwendung sammeln können.“

Ein weiterer Hinweis für die Richter in Karlsruhe: Nicht nur bei Ärzten, sondern auch bei Apothekern, die ebenso zur Beratung der Patienten verpflichtet seien, könne im Hinblick auf eine sichere Arzneimittelanwendung ein schutzwürdiges Interesse daran bestehen, sich mit neuen Arzneimitteln vertraut zu machen und Erfahrungen bei deren Anwendung zu sammeln.

Demnach könnte ein Verbot sogar eine „unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts der pharmazeutischen Unternehmen und Apotheker auf Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit“ darstellen – insbesondere wenn die Packungen der Erprobung von Eigenschaften wie Geruch und Konsistenz dienten und mit der Aufschrift wie „zu Demonstrationszwecken“ versehen seien und damit keine Gefahr einer ungeöffneten Weitergabe an Endverbraucher bestehe.

Unter dieser Prämisse gibt der BGH auch gleich seine erste Einschätzung mit: Sollte der EuGH zu der Einschätzung kommen, dass Muster für Apotheken zulässig sind, wäre eine Verurteilung wegen unzulässiger Zuwendungen nach § 7 Absatz 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) nicht möglich. Mit anderen Worten: Der Preis der Muster spielt aus Sicht der Richter keine Rolle, wenn diese angesichts der Kennzeichnung nicht als Naturalrabatt einzustufen sind. Genau diese Frage war in einem anderen Verfahren offen geblieben, in dem Ratiopharm einen Koffer mit sechs – nicht als Muster gekennzeichneten – Erkältungsmitteln des Konkurrenten Klosterfrau hatte verbieten lassen.

Nun muss in Luxemburg entschieden werden, ob Apothekenmuster ein Verstoß gegen die EU-Recht sind und ob die Mitgliedstaaten gegebenenfalls weitergehende Einschränkungen beschließen können. In der Richtlinie heißt es dazu, dass die Beschränkungen auf „bestimmte Arzneimittel“ möglich ist. Darum geht es laut BGH im konkreten Fall aber nicht, sodass eine enge Auslegung des AMG schon daher möglicherweise unzulässig ist.

Grundsätzlich gilt: Muster dürfen laut AMG keine Betäubungsmittel sein oder Präparate, die nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen. In der EU-Richtlinie ist von psychotropen Substanzen und Suchtstoffe die Rede. Außerdem dürfen Muster nur in der kleinsten Packungsgröße und nur auf schriftliche Anforderung des Arztes abgegeben werden. Die Fachinformation ist jeweils mit zu übersenden. Pro Jahr darf nur eine begrenzte Anzahl zur Verfügung gestellt werden, laut AMG sind mehr als zwei Muster nicht zulässig. Laut Richtlinie muss die Packung mit der Aufschrift „unverkäufliches Gratisärztemuster“ versehen sein. Die Lieferanten müssen ein Kontrollsystem implementieren, im AMG heißt es dazu: „Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.“

In dem Streit mit Klosterfrau hatte Ratiopharm gegen die kostenlose Abgabe von Packungen an Apotheken gekämpft, die nicht als Muster gekennzeichnet waren. Klosterfrau hatte zu Werbezwecken Produktkoffer mit sechs Arzneimitteln gegen Erkältungsbeschwerden an Apotheker verschenkt. Die Medikamente hatten einen Einkaufspreis von 27,47 Euro. Ratiopharm klagte auf Unterlassung und konnte sich vor dem OLG Stuttgart durchsetzen.

Im Verfahren ging es weniger um die Zulässigkeit von Mustern, da die Packungen ja nicht gekennzeichnet waren. Im Vordergrund stand vielmehr die Frage, wie hoch Zuwendungen seitens der Industrie gegenüber Fachkreisen sein dürfen: Von der kostenlosen Abgabe des Arzneimittelkoffers gehe die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung aus, urteilte das OLG. Bei einer kostenlosen Leistung sei oft zu erwarten, dass sich der Empfänger in irgendeiner Weise erkenntlich zeigen werde. Dies könne dazu führen, dass der umworbene Apotheker einem Kunden die Produkte der Beklagten empfehle. Hierin bestehe eine unsachliche Beeinflussung, die durch das Gesetz verhindert werden solle.

Ausnahmsweise zulässig sei die Zuwendung von Kleinigkeiten mit geringem Wert. Der BGH hatte bei Geschenken an Verbraucher eine Wertgrenze von 1 Euro definiert, die nach dem Urteil des OLG auch für Angehörige der Fachkreise gilt. Der Gesetzeszweck spreche dafür, bei Angehörigen der Fachkreise genauso strenge Maßstäbe anzulegen wie bei Verbrauchern. „Nach psychologischen Erkenntnissen entsprechend der sozialen Reziprozitätsregel ist bei einer kostenlosen Leistung oft zu erwarten, dass sich der Empfänger in irgendeiner Weise erkenntlich zeigen wird.“ Dies sei auch das erkennbare Ziel der Werbemaßnahme gewesen. Da Klosterfrau versucht hatte, den Wert der Produkte einzeln in Ansatz zu bringen, aus Sicht der OLG aber der Koffer insgesamt zu berücksichtigen war, ging der Fall nicht vor den BGH – obwohl die Richter gerne selbst eine Entscheidung zur Geringwertigkeitsgrenze für Fachkreise gesehen hätten.

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