DocMorris darf Kund:innen nicht mit einem Gewinnspiel dazu ködern, ihre Rezepte bei der Versandapotheke einzulösen. Eine solche Werbung beeinflusse die Verbraucher:innen unsachlich, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) nach einer Klage der Apothekerkammer Nordrhein gegen DocMorris bereits im November. Jetzt liegt die Urteilsbegründung vor. Darin führt der BGH auch aus, dass es ein neues EuGH-Verfahren zur Preisbindung für ausländische Versandapotheken geben könnte.
DocMorris hatte im März 2015 bundesweit mit einem Flyer für ein „Großes Gewinnspiel“ geworben – Hauptpreis: ein E-Bike für 2500 Euro. „Jetzt Rezept einsenden und gewinnen!“, lautete die Aufforderung. Für die Plätze zwei bis zehn sollte es eine hochwertige elektrische Zahnbürste geben. Die Apothekerkammer Nordrhein sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und verklagte DocMorris.
In erster Instanz hatte das Landgericht Frankfurt die Klage noch abgewiesen. Begründung: Das Gewinnspiel leiste keinen Vorschub zu einem Fehlgebrauch von Arzneimitteln. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) sah das im Berufungsverfahren 2018 anders: § 7 HWG habe nicht die Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften zum Gegenstand, sondern das Verbot der Wertreklame. Der Ausnahmetatbestand „geringwertige Kleinigkeit“ greife auch nicht. Anders als die Apothekerkammer sahen die Richter zwar nicht die Gefahr, dass sich jemand ein Medikament verschreiben lassen könnte, das er gar nicht benötigt – nur um eine Chance auf die Preise zu haben. Es sei aber nicht auszuschließen, dass ein Patient online bestelle „ohne zu erwägen, dass der Erwerb des Arzneimittels bei einer stationären Apotheke seinen persönlichen Bedürfnissen mehr entspreche“. So bestehe nur dort die Möglichkeit, unaufgefordert beraten zu werden – zum Beispiel über Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Das sieht der BGH genauso. Zwar habe ein Arzt das Arzneimittel verschrieben. „Dies bedeutet jedoch nicht, dass in jedem Fall eine zweite unaufgeforderte Beratung durch einen Apotheker entbehrlich ist.“
Die Karlsruher Richter hatten den Fall zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Nach dessen Auskunft ist auf EU-Ebene nur die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel geregelt. Hier ging es um Werbung für das gesamte Sortiment einer Apotheke. Laut EuGH dürfen nationale Verbote aber auch weitergehend sein.
EuGH und BGH sehen auch nicht den freien Warenverkehr beeinträchtigt. Das deutsche Verbot von Gewinnspielen gelte ja nicht nur für Online-Anbieter, sondern genauso für die Vor-Ort-Apotheken. Der Fall muss nun nur wegen eines Randaspekts noch einmal in Frankfurt verhandelt werden. In den wichtigen Punkten ist DocMorris unterlegen.
Die Karlsruher Richter sehen zudem die Chance für ein erneutes Verfahren vor dem EuGH mit der Frage, ob sich ausländische Versandapotheken an die deutschen Preisvorschriften halten müssen. Das hatten die Luxemburger Richter 2016 verneint. Auch damals ging es um DocMorris Boni, das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte den Fall zur Vorabentscheidung beim EuGH vorgelegt.
Der BGH hatte die Entscheidung aus Luxemburg und insbesondere die Vorlage des OLG Düsseldorf wiederholt kritisiert. In der aktuellen Urteilsbegründung legen die Karlsruher Richter nach: „Die Beurteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seiner Entscheidung „Deutsche Parkinson Vereinigung“ beruhte allerdings maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen des vorlegenden Gerichts. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass in anderen Verfahren, in denen die Frage der Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem Primärrecht der Europäischen Union in Streit steht, diese Feststellungen nachgeholt werden können, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen in Betracht kommt.“
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