Den Apotheken droht das nächste Fiasko in Sachen Bonus auf Rezept: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute über den Erlass der Zuzahlung durch die Firma Dr. Schweizer verhandelt. Der Versender von Diabetikerbedarf könnte in Karlsruhe Recht bekommen.
Dr. Schweizer hatte gegenüber Kunden damit geworben, die Zuzahlung bei Hilfsmitteln komplett zu übernehmen. „Zuzahlung bezahlen Sie übrigens bei uns nicht, das übernehmen wir für Sie“, hieß es. Die Wettbewerbszentrale war nach erfolgloser Abmahnung im Oktober 2013 dagegen juristisch vorgegangen. In Bad Homburg vertritt man die Ansicht, dass Leistungserbringer laut Sozialgesetzbuch (SGB V) verpflichtet sind, die gesetzliche Zuzahlung zu erheben, damit diese ihre vorgesehene Steuerungswirkung auch erfüllt. Die Gewährung von Vergünstigungen verstoße zudem gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Nach Angaben von Prozessbeobachtern sieht der BGH – wie schon Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart – die sozialrechtliche Verpflichtung zur Einziehung der Zuzahlung nicht als eine Marktverhaltensregel. Außerdem sei der Erlass als Barrabatt zu sehen, der vom HWG – zumindest in gewissem Umfang – gedeckt sei.
In der Verhandlung negierten die Richter aber auch, dass es überhaupt eine Zuzahlungs- oder Einziehungspflicht für die Leistungserbringer gibt. Obwohl die Wettbewerbszentrale dem Argument in der Verhandlung widersprach, könnte am Ende der Gesetzgeber gefragt sein, die Vorgabe noch einmal nachzubessern.
Solange wären Apotheken im Nachteil, da sie – anders als andere Hilfsmittelanbieter – durch ihre Berufsordnung an der Gewährung von Boni gehindert werden. Wörtlich heißt es etwa bei der Kammer Berlin, dass Apothekern „der Verzicht oder teilweise Verzicht auf Zuzahlungen, die von den Versicherten nach dem Sozialgesetzbuch zu leisten sind, sowie die Erstattung von Zuzahlungen und Gebühren oder die Werbung hiermit“ untersagt sind.
Das LG hatte die Klage der Wettbewerbszentrale daher in erster Instanz abgewiesen. Das OLG hatte dagegen einen Verstoß gegen das HWG gesehen: Der Rabatt werde von Dr. Schweizer selbst eindeutig als Vergünstigung oder Zuwendung deklariert.
Der Erlass komme einem Geschenk gleich, Dr. Schweizer verspreche somit eine Werbegabe im Sinne des HWG. Und ähnlich wie seinerzeit die Praxisgebühr sei die Zuzahlung bei der Bevölkerung eindeutig negativ konnotiert. Für angesprochene Kunden sei eine Ersparnis von bis zu 10 Euro ein „erhebliches Kaufargument, sprich ein nachhaltiges Marketinginstrument“, so das OLG.
Das OLG bezog sich dabei auf die vom BGH in Verfahren zu Rx-Boni gezogene Bagatellgrenze von einem Euro. Diese sei im Falle der Zuzahlungen jedenfalls überschritten. Die Richter hätten die maßgebliche Wertgrenze bereits ab einem Euro gesehen und so festgelegt. Je nach Urteil könnte Dr. Schweizer zumindest bis zu dieser Grenze die Zuzahlung künftig erlassen.
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