Betrugsvorwürfe

Strafverfahren: Ex-Großhandelschefs müssen zahlen Alexander Müller, 24.04.2017 10:22 Uhr

Berlin - 

Die ehemaligen Großhandelschefs Wolfgang und Claus Kapferer müssen einen Millionenbetrag zahlen, damit ein Strafverfahren gegen sie eingestellt wird. Im Streit mit der Versandapotheke Medikamente-per-Klick von Karlheinz Ilius geht es um mutmaßlich falsch erstattete Retouren. Parallel läuft noch eine Zivilklage in derselben Angelegenheit gegen die Noweda, die den Privatgroßhändler Kapferer 2008 übernommen hatte.

Ilius ist Versandapotheker der ersten Stunde. Schon 2004 gründete er im oberfränkischen Bad Steben Medikamente-per-Klick. Die ersten bestellten Arzneimittel verpackte er selbst in einem kleinen Büro seiner Luitpold Apotheke. Das das Geschäft wuchs schnell, heute zählt die Versandapotheke zu den größten hierzulande.

Kapferer war in der Anfangszeit und über viele Jahre Lieferant von Medikamente-per-Klick. Gerade die wilde Anfangszeit sollen Ilius und die Kapferers eher „hemdsärmlig“ gemeinsam bewältigt haben, man kannte sich gut. Doch 2010 war es mit der Freundschaft vorbei: Ilius stellte Strafanzeige gegen die Brüder, der Vorwurf lautet auf schweren Betrug. Die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft Mannheim veranlasste in der Folge Durchsuchungen in der Noweda-Niederlassung in Mosbach (ehemals Kapferer) sowie am Essener Hauptsitz der Genossenschaft.

Ilius fühlte sich bei der Verrechnung seiner Retouren übervorteilt: Laut einer Vereinbarung mit Kapferer wurden Beträge für zurückgeschickte Arzneimittel auf den eigenen Kundenkonten von Medikamente-per-Klick verbucht. Zwischen 2004 und Oktober 2009 summierten sich diese Gutschriften auf rund 3,5 Millionen Euro.

Doch Kapferer/Noweda verbuchte nicht alle Rücksendungen auf dem Kundenkonto, sondern teilweise auf dem internen Sonderkonto mit der Nummer 1552. Hier bucht der Großhändler von allen Kunden Rückläufer, für die es keine Gutschrift gibt. Das betrifft etwa beschädigte Packungen und abgelaufene Ware. Ilius zufolge hat sein Großhändler hier nicht immer sauber gearbeitet, er fühlt sich getäuscht.

Die Ansprüche auf Rückzahlung werden noch in einem Zivilverfahren geklärt. Anfang des Monats traf man sich vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG), nach der mündlichen Verhandlung hat das Gericht nur einen Hinweisbeschluss erlassen. Die Sache ist kompliziert und die Noweda dem Vernehmen nach nicht zu einem Vergleich bereit. Deshalb muss im Detail geklärt werden, welche Packung wann und wie retourniert und welche Beträge gutgeschrieben wurden. Schon in erster Instanz wurden angeblich 30 Aktenordner Dokumente vorgelegt.

Zumindest einen Fingerzeig für dieses Verfahren könnte der Abschluss des Strafprozesses vor dem Landgericht Mosbach sein. Dieses soll gemäß § 153a – also gegen Auflagen – eingestellt werden. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC müssen beide Kapferers jeweils 500.000 Euro an Ilius zahlen sowie zusätzlich einen sechsstelligen Betrag an die Staatskasse. Wenn sie die Zahlung innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist leisten, wird das Verfahren eingestellt. Damit wären die ehemaligen Großhandelschefs nicht vorbestraft, hätten die Unschuldsvermutung aber vergleichsweise teuer bezahlt. Sie möchten sich zu der Angelegenheit nicht äußern.

Die Noweda hat mit diesem Prozess nichts zu tun, da sich ein Strafverfahren immer gegen die persönlich Beschuldigten richtet. Nur im noch laufenden Zivilverfahren muss die Genossenschaft als Rechtsnachfolgerin die Angelegenheit klären. In erster Instanz hatte der Großhändler vor dem Landgericht Mosbach im Dezember 2010 gewonnen. Ilius ist gegen die Entscheidung in Berufung gegangen und fordert inklusive Schadensersatz und Zinsen einen Betrag von mehr als drei Millionen Euro von der Noweda.

Medikamente-per-Klick behauptet, Kapferer habe in vielen Fällen zu Unrecht Gutschriften auf dem Sonderkonto 1552 verbucht und entsprechend nicht rückvergütet. Die retournierte Ware sei dem Noweda-Lager zwar zugeführt, dem eigenen Konto aber nicht gutgeschrieben worden.

Die Noweda bestreitet dies. Die Gegenansprüche stünden der Versandapotheke nicht zu, betreffend des Zeitraums bis einschließlich 2007 seien sie ohnehin verjährt. Die Apotheke hätte selbst nachhalten müssen, welche Waren angeblich ohne Rückvergütung an die Noweda gesandt worden seien.

Allerdings habe Medikamente-per-Klick auch Ware retourniert, die gar nicht von der Noweda ausgeliefert worden sei. Für nicht mehr verkehrsfähige Ware gebe es ebenfalls keine Gutschrift. Dasselbe gelte, wenn die Versandapotheke keinen persönlich unterschriebenen Retourenzettel beigelegt hatte. Zum Teil sei auch versehentlich zu viel Ware bestellt und sofort retourniert worden. Diese sei dann in den Monatsrechnungen gar nicht berechnet worden, entsprechend habe es dann auch keine Gutschrift gegeben.

Der Versender hatte vorgetragen, die Noweda habe bei anderen Gutschriften keinen Unterschied gemacht zwischen Retourenbelegen und Eigenbelegen der Versandapotheke. Mehr als 90 Prozent der rückgesandten Ware habe der Großhändler seinem Lager zugeführt. Die Retouren habe Noweda zudem hauptsächlich selbst verschuldet: Mal sei nicht bestellte Ware geliefert worden, andere habe kurz vor dem Verfall gestanden und in wieder anderen Fällen sei zu spät oder zu viel geliefert worden, heißt es.

Das OLG Karlsruhe hat nach der mündlichen Verhandlung von beiden Seiten weitere Beweise gefordert. Danach wird das Gericht entscheiden, ob weitere Zeugen gehört werden oder die Sache entschieden werden kann. Auch ein Vergleich ist immer noch möglich.