Bestellportale

Apotheken stürmen das Netz Alexander Müller, 25.06.2014 14:51 Uhr

Berlin - 

Die Apotheke vor Ort gegenüber dem Versandhandel stärken – mit diesem Anspruch treten heute gleich zwei Bestellportale für Arzneimittel an. Bei „Aponow“ können Kunden ihre Medikamente online in jeder Apotheke der Republik vorbestellen. „Amamed“ hebt die Vorteile der teilnehmenden Apotheken gegenüber dem Versand hervor und ermöglicht eine Zahlung über den Onlineshop Amazon.

Der Unternehmer Markus Bönig hat schon mit seinem Konzept Ordermed den Markt gehörig aufgewirbelt. Jetzt will er über seine neue Firma Pharmacy Connect mit einer Anzeigen-Kooperation in Axel-Springer-Medien eine „nationale Vorbestellplattform“ schaffen.

Die Kunden können bei Aponow ihre Medikamente online bestellen und bekommen anhand ihrer Postleitzahl eine Liste der umliegenden Apotheken angezeigt. Die ausgewählte Apotheke wird informiert, der Kunde kann zudem eine Lieferung in Auftrag geben. Aponow weist darauf hin, dass die Apotheke hierfür gegebenenfalls Gebühren verlangt. Bestätigt die Apotheke die Bestellung nicht innerhalb von zwei Stunden, wird der Kunde informiert und kann eine andere auswählen.

Der eigentliche Kauf kommt erst bei der Abgabe in der Apotheke oder bei Auslieferung zustande. Dabei kann es zu Überraschungen kommen: Bei Aponow wird als Preis grundsätzlich der UVP des Herstellers angezeigt. Gegen einen Obulus von 19,95 Euro monatlich kann jede Apotheke eigene Angebote einpflegen.

Bönig betont aber, dass es bei der „Gegenoffensive der Vor-Ort-Apotheken“ gegen den Versandhandel gerade nicht um einen guten Preis, sondern um die Lieferfähigkeit binnen weniger Stunden gehe. Wegen der regelmäßigen Belieferung durch den Großhandel hätten die Apotheken die online bestellten Arzneimittel nicht nur am selben Tag, sondern oftmals sogar binnen weniger Stunden.

„Damit treffen Apotheker schon seit langer Zeit den Nerv ihrer Kundschaft – allerdings weitgehend offline“, so Bönig. Nur etwas mehr als die Hälfte der Apotheken habe überhaupt eine Internetseite, nur bei 600 von ihnen sei eine Online-Bestellung möglich. In den einschlägigen Preissuchmaschinen seien sogar nur 150 Apotheken zu finden. Diese hätten allerdings schon einen rasant wachsenden Marktanteil gewonnen. Mit Aponow wären jetzt alle Apotheken schlagartig online.

Zeitgleich startet heute die Plattform Amamed. Das System ist ähnlich, die Stoßrichtung mit dem Claim „besser als der Versand erlaubt“ ebenfalls. Ein großer Unterschied liegt darin, dass sich die Apotheken selbst für eine Teilnahme entscheiden können, einige hundert sollen das schon gemacht haben. Ansonsten bekommt der Kunde den Hinweis: „Leider nimmt diese Apotheke noch nicht am lokalen Schnellversand teil.“ Man kann sich dann jedoch per E-Mail informieren lassen, sobald diese Apotheke einsteigt.

Für die Apotheken ist das Konzept prinzipiell kostenfrei. Nur bei Nutzung zusätzlicher Features wie der Online-Bezahlungsmöglichkeiten werden laut Amamed-Chef Benedikt Becker künftig Abwicklungsgebühren erhoben werden. „Eine Bestellung mit Abholung und Bezahlung in der Apotheke ist aber komplett kostenfrei für die Apotheke“, so Becker. Über eine ADAS-Schnittstelle können ebenfalls eigene Preise eingespielt werden. Zusätzliches Vertrauen will Amamed mit der Integration der Zahlung über das Amazon-Konto erzeugen.

Amamed stellt dem Angebot der Vor-Ort-Apotheken immer auch den Preis einer – ebenfalls angeschlossenen – Versandapotheke gegenüber. Die Kunden sollen sensibilisiert werden, dass die Versender wegen gegebenenfalls anfallender Liefergebühren oft gar nicht günstiger sind als die Apotheke um die Ecke. Ein lokaler Preisvergleich sei aber ausgeschlossen, damit keine Preisspirale provoziert werde, so Becker.

Gleichzeitig soll die Versandapotheke (Pinguin-Apotheke, Lübeck) die weißen Flecken auf der Landkarte abdecken, wenn in einem PLZ-Gebiet noch keine Apotheke bei Amamed mitmacht. „Im Vordergrund steht für uns die flächendeckende Versorgung und Erreichung aller Endverbraucher. Durch die parallele Versandoption werden Versorgungslücken wie bei Pillentaxt, Dedendo & Co. von Anfang an vermieden“, so Becker. Wenn die lokale Abdeckung mit Apotheken möglich sei, könne die Versandhandelsoption in dieser Region deaktiviert werden.

Amamed soll später über die Industrie finanziert werden: Die Hersteller sollen Werbung auf der Seite schalten und so direkt „Impulskäufe“ auslösen. Zunächst müsse sich das Modell aber etablieren: „Das ist das klassische Henne-Ei-Problem“, so Becker. Zeitnah sollen zum Teil kostenpflichtige Erweiterungsmodule ebenfalls zur Gesamtfinanzierung beitragen.

Für interessierte Apotheken gibt es die „Amamed-Akademie“ – eine Art Online-Schulung. Die Apotheker lernen dabei, wie sie eigene Preise einspielen oder einzelne Preise direkt anpassen können, Sortimente ausschließen und Zahlungsbedingungen oder Lieferbedingungen anpassen. Amamed ist eine Schwesterfirma der Marketing-Kooperation Apozin.

Bei beiden Konzepten sind aktuell nur OTC-Bestellungen möglich. Wählt der Kunde bei Aponow „Rezept einlösen“, wird er allerdings automatisch zu Ordermed weitergeleitet – der anderen Bestellplattform von Bönig.