Auch in der Krise „äußerst robust“

Impfstoffe: Pharmabranche erwartet kräftigen Umsatzanstieg

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Berlin -

Der Impfstoff-Erfolg von Biontech beflügelt die deutsche Pharmaindustrie. Im neuen Jahr rechnet sie mit einem Umsatzsprung. Von der Ampel-Regierung erwarten die Hersteller Nachbesserungen.

Angetrieben von der starken Nachfrage nach Corona-Impfstoffen erwartet die deutsche Pharmaindustrie einen kräftigen Schub für ihr Geschäft. Im neuen Jahr dürfte der Umsatz der Branche um acht Prozent und die Produktion um gut drei Prozent wachsen, prognostiziert der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Damit dürfte auch die Beschäftigung bis Ende 2022 um drei Prozent auf mehr als 122.000 Menschen zulegen. „Die Pharmaindustrie in Deutschland zeigt sich in der Krise äußerst robust“, sagte vfa-Präsident Han Steutel. Sie sei damit ein maßgeblicher Faktor für das Wirtschaftswachstum.

Biontech-Erfolg als Chance

Der Coup von Biontech, den weltweit ersten zugelassenen Corona-Impfstoff aus Deutschland auf den Markt zu bringen, habe direkt und indirekt positive Folgen für den hiesigen Pharmastandort, sagte Steutel. „Es ist nicht nur die Produktion deutscher Unternehmen gestiegen, auch ausländische Konzerne wie AstraZeneca und Johnson & Johnson lassen verstärkt hier produzieren“. Der Impfstoff-Erfolg von Biontech sei eine riesige Chance. Schon dieses Jahr hat die Pharmabranche einen rasanten Aufschwung erlebt: Der Umsatz dürfte laut vfa um 13 Prozent steigen, die Produktion um fünf Prozent.

Allein am Vakzin von Biotech und Pfizer wirken in Deutschland 13 Betriebe mit. Vom Wachstum der deutschen Wirtschaft von 2,7 Prozent, dass die „Wirtschaftsweisen“ für 2021 prognostizieren, dürften allein 0,5 Prozentpunkte auf Biontech entfallen, errechnete der Verband. Er vertritt 45 Unternehmen mit rund 92.000 Beschäftigten.

Zu viel Bürokratie, zu wenig Digitalisierung

Damit der hiesige Pharmastandort wettbewerbsfähig bleibe, müsse Deutschland aber in Sachen Bürokratieabbau, Digitalisierung und klinische Forschung besser werden. Genehmigungen etwa dauerten zu lange, auch weil Datenschutz in Deutschland ein besonders sensibles Thema sei. „Bei Corona-Impfstoffen waren die Behörden schnell, das zeigt, dass es auch sonst zügiger gehen kann“, sagte Steutel.

Wenn für die Erforschung von Arzneien klinische Studien mit Patient:innen durchgeführt werden müssten, sei derzeit eine Genehmigung in den betroffenen Bundesländern nötig – im schlimmsten Fall also bis zu 16. „Es fehlt eine zentrale Stelle“, monierte Steutel. In anderen europäischen Ländern dauere es 100 Tage, die Genehmigung für eine klinische Studie zu bekommen. „In Deutschland sind es 200 Tage.“ Deutschland habe einen guten Ruf in der Forschung, doch bei der Zahl der klinischen Studien lägen nicht nur die USA und China vor der hiesigen Pharmabranche, auch Spanien und Großbritannien seien vorbeigezogen. „Das muss für uns ein Warnzeichen sein.“

China als Konkurrenz

Auch bei der Zusammenarbeit zwischen Forschern, Kliniken und Universitäten sieht Steutel Nachholbedarf. Es gebe Lücken bei der Digitalisierung und Probleme beim Datenaustausch. „Pharmaunternehmen können nicht auf elektronische Patientendaten zugreifen, was faktisch überall auf der Welt geht. Für unseren Ruf ist das nicht gut.“ Druck für die Pharmabranche komme aus China. „Die Konkurrenz für Europa und die USA wird langfristig sein“, sagte Steutel. Chinas Pharmabranche sei stark bei Patentanmeldungen und schnell in der klinischen Forschung mit großen Patientengruppen.

Preisbildung im Visier

Von der neuen Bundesregierung fordert der vfa, dass sie nicht stärker in die Preisbildung bei Arzneien eingreift. So will die Koalition aus SPD, Grünen und FDP die Frist für die freie Preisbildung auf sechs Monate senken. Bisher können Arzneihersteller ein Jahr lang den Preis bestimmen, bevor der Gemeinsame Bundesausschuss eine Bewertung für die Verhandlungen zwischen Unternehmen und Krankenkassen vornimmt. „Eine Verkürzung auf sechs Monate würde nur 50 Millionen Euro sparen, aber der Innovationsfähigkeit schaden“, kritisierte Steutel.

Die Pharmabranche gehört nicht zu den ganz großen Industrien in Deutschland, erzielt aber eine hohe Wertschöpfung. Der Jahresumsatz lag zuletzt bei 47,2 Milliarden Euro, der Großteil der Arzneien ging in den Export. Mit Ausgaben von 7,8 Milliarden für Forschung und Entwicklung 2020 ist die Pharmaindustrie laut vfa die forschungsstärkste Branche in Deutschland. Die Pandemie bietet aus Sicht des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) eine gute Perspektive. Corona sei die Chance für den Standort Deutschland, wieder als Apotheke der Welt aufzuerstehen, sagte VCI-Präsident Christian Kullmann jüngst.

Zuletzt hatte die Pharmaindustrie von der Politik gefordert, Lehren aus der Pandemie zu ziehen. „Die Corona-Krise muss zu einem politischen Umdenken und Handeln im Arzneimittelbereich führen“, sagte Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Ende November. Es sei noch nie so offensichtlich gewesen, wie existenziell die Bekämpfung von Krankheiten sei. „Dennoch werden Arzneimittel, Impfstoffe und Medizinprodukte zu oft nur als belastender Ausgabenfaktor für das Gesundheitssystem betrachtet“, sagte Feldmeier.

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