Bayer wegen Glyphosat gestrichen Nadine Tröbitscher, 29.12.2017 09:55 Uhr
Das umstrittene Unkrautgift Glyphosat sorgt seit Monaten für hitzige Diskussionen. Zur Monatsmitte traf die EU-Kommission die Entscheidung, das Herbizid für weitere fünf Jahre zuzulassen. Aber nicht nur Politiker lieferten sich einen Schlagabtausch in der Glyphosat-Debatte, auch Apotheker sehen mit der Monsanto-Übernahme durch Bayer Interessenkonflikte. Ein Apotheker in der Region Rosenheim hat erste Konsequenzen gezogen. „Wegen Glyphosat gestrichen“ prangt in großen Lettern vor den Aspirin-Packungen der Sichtwahl.
Thomas Riedrich ist seit 1989 selbstständiger Apotheker. Im Raum Rosenheim betreibt der Hobby-Imker seine vier Optymed Apotheken und beschäftigt etwa 40 Mitarbeiter. Der Boykott in der Sichtwahl ist nicht zuletzt dem Agrarminister geschuldet. „Die erste Idee, etwas selber unternehmen zu müssen, entstand aus meiner Empörung und Wut über die in meinen Augen skandalöse Abstimmung des Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat. Gesundheitliche und umweltbezogene Risiken werden ausgeblendet, damit Monsanto und damit auch Bayer weiterhin Profite einfahren können.“
Nur wenige Tage später, „als deutlich wurde, dass Herr Schmidt wohl kleinerlei Konsequenzen wegen seines Verhaltens befürchten muss“ und sich für Riedrich der Verdacht erhärtete, „dass die ganze Angelegenheit wohl doch zwischen CSU und CDU abgesprochen war“, zog er die Konsequenzen und brachte ein Schild in der Sichtwahl an. Direkt vor den Aspirin-Packungen. „Wegen Glyphosat gestrichen. Wir empfehlen Ihnen gerne eine Alternative.“
Riedrich postet die Aktion mit dem Zusatz „So, jetzt reicht`s mir!“ auf Facebook und erhält viel Zuspruch von Kollegen – und Mitarbeitern. Die Entscheidung, bei der Aktion mitzumachen, hat der Apotheker den Filialleitern und Teams selbst überlassen, „denn schließlich müssen sie ja dann auch die Gespräche mit den Kunden im HV führen“. Aber alle „haben sofort und mit Überzeugung den Wunsch geäußert, auch mitzumachen“, erzählt Riedrich.
Viel Zuspruch erfahren die Optymed Apotheken aber vor allem von den Kunden. Riedrich und seine Teams wurden „vollauf bestätigt“. „Ich hatte noch nie vorher bei Marketingmaßnahmen oder Aktionen eine ähnlich stark ausgeprägte und vor allem eindeutige, zu 100 Prozent positive Resonanz.“
Die Aktion hat viele Kunden sensibilisiert, denn in weiten Kreisen, ist die Thematik gar nicht bekannt, erklärt Riedrich, der mit interessierten Kunden sehr schnell ins Gespräch kommt. Die Mitarbeiter werden auf das Schild oft angesprochen. „Einige Kunden fragen sogar: ‚Ist da denn auch Glyphosat drin?‘“ Wer nur ein Schmerzmittel ohne konkreten Markenwunsch verlangt, folgt in der Regel der Empfehlung des Teams. Lediglich ein bis zwei Kunden von zehn sind laut Riedrich markentreu und bekommen Aspirin.
Schön wäre es, wenn Kollegen Riedrich folgen würden, denn: „Je mehr Endverbraucher davon erfahren, umso eher sind große Konzerne vielleicht bereit, über ihre Vertriebspolitik nachzudenken“. Riedrich sieht ein grundsätzliches Problem in den „lobbygesteuerten Entscheidungen unserer Politiker“. Für den Apotheker habe der Agrarminister bei seiner Entscheidung die möglichen Gefahren und ein potentielles Gesundheitsrisiko bewusst ignoriert – eine gewissenlose und skandalöse Entscheidung.
Der Imker hat in puncto Glyphosat einen Wunsch, „dass Entscheidungen in diesem Bereich deutlich kritischer und restriktiver gefällt werden. Nicht die Gesellschaft sollte bei Verboten für Gewinnverluste der Konzerne aufkommen müssen, sondern die Konzerne sollten für die verursachten Schäden gerade stehen. Dass hier noch einiges im Argen liegt, sieht man auch am Beispiel der Neonikotinoide und dem Bienensterben und dem gewaltigen Schaden, der unserer Volkswirtschaft jedes Jahr durch die fehlende Bestäubungsleistung entsteht. Ob Bayer dafür wohl jemals gerade stehen wird?“