Er muss nach jedem TV-Spot erscheinen, darf auf dem Flyer nicht zu klein gedruckt sein und muss für den schlendernden Kunden sogar im Schaufenster gut lesbar sein: der Pflichttext zu „Risiken und Nebenwirkungen“ bei der Bewerbung von OTC-Arzneimitteln. Bayer hat einen Streit um Aspirin verloren, weil der Hinweis am unteren Ende der Produkt-Website den rechtlichen Anforderungen nicht genügte. Weil die Leverkusener als Wiederholungstäter gelten, hagelte es vor dem Oberlandegericht Köln (OLG) zudem ein fünfstelliges Ordnungsgeld.
Bayer hatte auf der Aspirin-Webseite zunächst die verschiedenen Präparate der Reihe wie „Effect“ und „Complex“ vorgestellt. Erst unter der Werbung, einem Ratgeber zur Behandlung von bestimmten Erkrankungen und der Rubrik „Häufige Fragen“ folgten am Schluss – noch hinter Impressum und Datenschutzerklärung – die Pflichtangaben. Neben der Bezeichnung der beworbenen Arzneimittel und deren Anwendungsgebieten ist es jener oft zitierte Hinweis gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Ein Wettbewerbsverband hatte Bayer deswegen verklagt. Es geht um die Frage, inwiefern die Pflichtangaben in unmittelbarer Nähe zu dem jeweiligen Medikament anzugeben sind. Bayer hatte sich bereits 2004 in einem anderen Fall verpflichtet, besser auf den Pflichttext zu achten. Der Wettbewerbsverband sah in der neuen Werbung nun einen kerngleichen Verstoß, mahnte erneut ab und forderte 5100 Euro Vertragsstrafe plus Zinsen. Und weil der Hersteller auch nach der Abmahnung nicht eingelenkt hatte, das Ganze gleich doppelt.
Bayer findet nicht, dass die Darstellung gegen das HWG verstößt. Der Vorschrift sei nicht zu entnehmen, dass sich die Pflichtangaben nicht am Ende der Werbung gesammelt befinden dürften. Zudem sei der Beipackzettel verlinkt, die Information also für Verbraucher leicht abrufbar. Zur Auslegung müsse der Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt werden, weil das deutsche Recht über die europäischen Vorgaben hinausgehe.
In erster Instanz hatte das Landgericht der Klage stattgegeben, aber nur eine einfache Vertragsstrafe durchgewinkt. Beide Seiten waren in Berufung gegangen, Bayer forderte die Zurückweisung der Klage, die Gegenseite die volle Vertragsstrafe. Das OLG Köln gab dem klagenden Wettbewerbsverband recht: Der Pflichttext müsse laut Gesetz „gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt“ angegeben werden. Und gut lesbar beziehe sich nicht allein auf die Schriftgröße, sondern auch auf eine leichte Wahrnehmung, mithin auf die Position der Pflichtangabe.
Auf der Aspirin-Website erwarte der Verbraucher dagegen keine weiteren Informationen zu dem jeweiligen Arzneimittel mehr, nachdem er die Darstellung für dieses Arzneimittel zur Kenntnis genommen habe. Der Verweis auf den Beipackzettel mache die Pflichtangaben nicht entbehrlich, heißt es im Urteil weiter. Nicht geklärt hat das OLG die Frage, ob bei einer „Arzneimittelfamilie“ die Pflichtangaben grundsätzlich auch gemeinsam erfolgen darf, denn darum ging es in diesem Streit nicht.
Die Werbung stellt aus Sicht des OLG auch einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung dar, sodass die Vertragsstrafe fällig wird. Da OLG verdoppelte die Strafe sogar, weil der Verstoß nach der neuerlichen Abmahnung fortgesetzt wurde.
Eine Vorlage an den EuGH lehnte das OLG ab und verwies auf frühere Entscheidungen. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) und große Teile der Literatur gingen von einer Europarechtskonformität des § 4 HWG aus, heißt es im Urteil. Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Dagegen kann Bayer aber noch Beschwerde einlegen.
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