Pharmakonzerne

Bayer: Neuer OTC-Deutschlandchef Patrick Hollstein, 11.06.2018 10:26 Uhr

Berlin - 

Bayer hat einen neuen Deutschlandchef für das OTC-Geschäft: Tobias Boldt löst Stefan Meyer ab, der europäische Aufgaben übernommen hat. Der 40-Jährige reiht sich ein in eine jüngere Generation von Pharmamanagern, die die Branche in die Zukunft führen sollen. In Leverkusen warten große Aufgaben auf ihn.

Boldt ist ein „Hausgewächs“ bei Bayer. Direkt nach dem Abitur heuerte er als Trainee beim Pharmakonzern an. Parallel studierte er Internationales Management sowie Marketing & Controlling. Seinen Master absolvierte er, da war er schon als Analyst für Bayer in Frankreich tätig.

Nach dem Abschluss des Studiums stieg er Ende 2003 bei der Veterinärsparte ein. Erst schickte ihn der Konzern als Projektmanager nach Vietnam, schon ein Jahr später übernahm er die Gesamtverantwortung für das Geschäft auf den Philippinen.

Im Sommer 2009 kehrte er nach Leverkusen zurück, wo er ins Marketing für Haustierprodukte einstieg. Zwei Jahre später war er als Head of Global Marketing für die weltweite Vermarktung von Präparaten wie Advantage und Seresto zuständig. Im Juni 2014 übernahm er die Leitung des gesamten Consumer-Geschäfts in Polen; noch bis Ende Juni pendelt er nach Warschau, um seinen Nachfolger einzuarbeiten.

Dass er bei Bayer jetzt die Verantwortung für den wichtigen Heimatmarkt bekommt, ist ein weiterer beachtlicher Karriereschritt. Boldt gehört zu den jüngsten OTC-Managern in Deutschland: Ebenfalls in die Altersgruppe bis Anfang 40 gehören beispielsweise Andrej Salát (Ratiopharm), Sebastian Werner (Pierre Fabre) und Felix König (Dr. Kade), bei den inhabergeführten Unternehmen sind es Dominik Holzer (Ursapharm), Nils Glagau (Orthomol) und Gregor Loges (Dr. Loges).

Bayer ist laut Insight Health mit Abverkäufen von rund 550 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP) der führende OTC-Hersteller in Deutschland, vor GlaxoSmithKline, Ratiopharm, Sanofi, Hexal, Stada, Klosterfrau, Bionorica, Schwabe und Johnson & Johnson.

80 Prozent der Umsätze von Bayer im OTC-Bereich werden mit vier Marken erzielt: Auf Aspirin entfallen rund 135 Millionen Euro, auf Bepanthen und Iberogast jeweils rund 120 Millionen Euro. Canesten folgt mit 40 Millionen Euro. Weitere bekannte Marken sind Aktren, Aleve, Alka Seltzer, Bepanthol, Elevit, Ilja Rogoff, Laif, Lefax, Phyotdolor, Phytohustil, Priorin, Rennie, Supradyn und Talcid.

Das Geschäft lag 2017 auf Vorjahresniveau, der Gesamtmarkt legte im selben Zeitraum um 2,4 Prozent zu. Auf Boldt warten einige Herausforderungen: So war der Relaunch von Aspirin vor drei Jahren nicht nachhaltig für das Geschäft; zuletzt waren die Abverkäufe um 7 Prozent rückläufig.

Bei Iberogast sind zwar seit Jahren stabile Zuwächse zu verzeichnen: Erst konnten die pflanzlichen Magentropfen vom MCP-Rückruf profitieren, im vergangenen Jahr trieb eine massive TV-Kampagne die Abverkäufe um 6 Prozent. Insofern hat sich die Übernahme des Herstellers Steigerwald längst gerechnet. Doch nach wie vor hat Bayer ein Stufenplanverfahren wegen des enthaltenen Schöllkrauts am Hals, das unlängst sogar zum Politikum wurde: Weil das Medikament in der Schweiz einen Warnhinweis bekam, in Deutschland aber bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens noch verkauft werden darf, polterte die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche öffentlich gegen den Konzern und zwang das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu einer Stellungnahme im Gesundheitsausschuss.

Bei Bepanthen wiederum gab es im vergangenen Jahr massive Lieferprobleme. Erst spurte ein neuer Salben/Creme-Mixer am Standort Grenzach nicht, sodass die Augensalbe über längere Zeit nicht ausgeliefert werden konnte. Kaum war der Engpass behoben und die Ware in vollem Umfang ausgeliefert, stand Bayer vor einem neuen Problem. Apotheken meldeten für die neu produzierten Chargen eine Phasentrennung. Der Konzern dementierte Qualitätsprobleme: Das so genannte Ausölen einer Komponente sei eine „bekannte physikalische Eigenschaft der weißen Vaseline“ und könne „grundsätzlich immer auftreten“.

2016 war Laif das Sorgenkind von Bayer. Es fehlte an Rohstoff, außerdem gab es immer wieder Probleme mit aufgequollenen oder aufgeplatzten Tabletten. Das Johanniskraut-Präparat kam ebenfalls mit Steigerwald zu Bayer; um die Probleme in den Griff zu bekommen, wurde später die Galenik überarbeitet.

Zuletzt gab es Lieferausfälle bei Canesten, wie der Konzern im Bericht für das erste Quartal einräumte. In Deutschland sind die Probleme noch nicht virulent.

Diese Herausforderungen – und womöglich noch weitere – warten auf Boldt und sein Team um Vertriebsleiter Thorsten Kujath sowie der Category Heads Matthias Steimel (Dermatology & Nutritionals), Thomas Schnier (Analgesics/Cough & Cold) und Jens Gruske (Gastro Intestinals/Laif). Bei den Apotheken steht Bayer wegen seiner Konditionpolitik seit Jahren immer wieder in der Kritik.

Der Posten des OTC-Deutschlandchefs war frei geworden, weil Boldts Vorgänger neue Aufgaben bekommen hat: Meyer, der das OTC-Deutschlandgeschäft seit 2013 geleitet hatte und zuvor lange als potenzieller Chef für Klosterfrau gehandelt wurde, ist seit November als Head Commercial Operations für das gesamte Geschäft in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika zuständig.

Hintergrund sind die Umstrukturierungen auf Konzernebene: Erica Mann, im Vorstand für das weltweite Consumer-Geschäft verantwortlich, hatte den Konzern verlassen. Nachfolger in Basel ist der ehemalige Nestlé-Vorstand Heiko Schipper. Für das gesamte Deutschlandgeschäft verantwortlich ist Frank Schöning.