Bayer/Monsanto

Glyphosat trifft Iberogast Patrick Hollstein, 15.09.2016 15:28 Uhr

Berlin - 

„Monsanto-Kauf für 66 Milliarden Dollar: Wird jetzt das Aspirin teurer?“ Mit dieser zugespitzten Überschrift brachte Bild.de gestern die Verunsicherung vieler Verbraucher auf den Punkt. Für Bayer war die Übernahme von Monsanto ein logischer Schritt – Kritiker sehen die Risiken: schlechtes Image, hohe Kosten, falscher Schwerpunkt. Erste Apotheker sehen bereits Interessenkonflikte. In Leverkusen versucht man zu beschwichtigen.

1) massiver Imageschaden
Monsanto steht wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte und der damit verbundenen Vertriebsstrategie seit Jahren in der Kritik. Der im Blockbuster Roundup enthaltene Unkrautvernichter Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Die EU hatte sich im Juni trotz massiver Proteste dazu durchgerungen, den Einsatz für weitere 18 Monate zu genehmigen.

Aus gutem Grund ist der Konzern derzeit flächendeckend mit Bannern und Anzeigen in den großen Medien vertreten, um den Deal zu erklären. Einige Apotheker sehen mit Sorge, mit Gesundheitsprodukten von Bayer nicht mehr glaubwürdig zu sein. Mit der Übernahme von Steigerwald hatte der Konzern den ersten Schritt ins Phytogeschäft gewagt – Marken wie Iberogast und Laif genießen eine hohe Reputation, die mit umstrittenen Unkrautvernichtern und gegängelten Landwirten nicht in Einklang zu bringen ist. Selbst Präparate der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehören seit dem Kauf des chinesischen Herstellers Dihon zum Portfolio des „sanften Riesen“.

Hat man in Leverkusen bereits negative Reaktionen aus der Branche wahrgenommen? „Bekanntlich gibt es öffentlich geäußerte Kritik an Monsanto“, sagt ein Sprecher. „Da ist es naheliegend, dass sich das öffentliche Meinungsbild annähernd auch in der Branche widerspiegelt.“

2) strategische Ausrichtung
Beim Pharma- und Chemiekonzern überwiegt künftig das Agrargeschäft: Lässt man die an die Börse gebrachte Kunststoffsparte Covestro außen vor, erzielte Bayer zuletzt mehr als zwei Drittel seines Umsatzes im Pharmabereich. Mit Monsanto steigt der Anteil des Agrargeschäfts auf etwas mehr als die Hälfte.

Obwohl Bayer seit der Gründung im 19. Jahrhundert den Spagat hinbekommen hat, fürchten Kritiker, dass die Healthcare-Sparte unter der neuen Ausrichtung leiden könnte.

Der Konzern wiegelt ab: „Bayer steht seit vielen Jahren für Life Sciences und nicht als reines Gesundheitsunternehmen. Unsere Strategie wurde auch dementsprechend kommuniziert“, sagt ein Sprecher.

Im Interview mit dem Manager Magazin trat Konzernchef Werner Baumann Befürchtungen entgegengetreten, die Pharmasparte könne unter der Übernahme leiden. Der Bereich habe „alles, was es braucht, um in den nächsten Jahren organisch weiterentwickelt zu werden“. Außerdem werde der Konzern die Sparte
auch mit kleineren Akquisitionen weiterentwickeln. Heißt im Klartext: Größere Zukäufe wie zuletzt die Übernahme der OTC-Sparte von Merck & Co. gibt es nicht.

3) Entfremdung und Kulturwandel
Kritiker fürchten, dass die Agrarsparte künftig von den USA aus verwaltet und damit amerikanisch geprägt sein könnte. Andere Beobachter sehen kein Problem: Auch die OTC-Sparte habe ihr Headquarter in Morristown, New Jersey – das habe bislang nicht zu einer Entfremdung geführt.

Laut Baumann sind Entscheidungen über die Führung der Agrarsparte noch nicht gefallen. „Über Personalien jedweder Art ist noch nicht gesprochen worden“, sagte er. Monsanto-Chef Hugh Grant habe klar gesagt, dass er jetzt seine Kunden weiter „bestmöglich“ bedienen und zu einem „erfolgreichen Zusammenschluss“ beitragen wolle.

4) finanzielle Überforderung
66 Milliarden Dollar (knapp 59 Milliarden Euro) lässt sich Bayer den Zukauf kosten – nie zuvor hat ein deutsches Unternehmen so viel für eine Übernahme gezahlt. Kritiker fürchten, dass kaum finanzieller Spielraum bleibt, um andere Projekte – etwa im Pharmabereich – stemmen zu können. Auch das Management könnte mit der vermutlich Jahre dauernden Integration überfordert sein.

„Alle Geschäftsteile von Bayer erhalten die Ressourcen, die sie für ihre Weiterentwicklung benötigen“, kommentiert der Bayer-Sprecher diese Vorbehalte. „Das gilt für Investitionen ebenso wie für Forschung und Entwicklung. Allein für Forschung und Entwicklung beträgt das Budget 2016 bei rund 4,3 Milliarden Euro.“

5) riskante Wette
Für den Fall, dass die Kartellbehörden dem Deal nicht zustimmen, muss Bayer zwei Milliarden Dollar an Monsanto zahlen. Bayer sieht kein Problem und verweist auf die sich ergänzenden Geschäftsbereiche.