Nach dem freien Fall des Aktienkurses will Bayer seine Aktionäre mit der Aussicht auf steigende Gewinnbeteiligungen milde stimmen. Finanzvorstand Wolfgang Nickl stellte bei einem Kapitalmarkttag in London weitere Dividendenerhöhungen sowie mögliche Aktienrückkäufe in Aussicht. Zudem soll die Nettoverschuldung bis 2022 auf etwa 26 bis 28 Milliarden Euro sinken. Das wären bis zu 10 Milliarden Euro weniger, als für 2019 geplant sind. Die Verschuldung des Dax-Konzerns ist vor allem wegen der Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto stark gestiegen.
Bayer will sein mittelfristiges Schuldenziel sowie die geplanten Ausschüttungen an die Aktionäre durch ein wieder schnelleres Wachstum und eine höhere Rentabilität erreichen. Es soll also ein größerer Anteil des Umsatzes als Gewinn beim Unternehmen hängen bleiben. Im Zuge dessen soll der freie Mittelzufluss (Free Cashflow) sich bis 2022 auf rund 8 Milliarden Euro nahezu verdoppeln.
„Diese Mittel wollen wir ebenso wie die Erlöse aus den angekündigten Portfoliomaßnahmen unter anderem dafür einsetzen, weiter die Dividende zu erhöhen und die Nettofinanzverschuldung zu reduzieren“, sagte Finanzvorstand Wolfgang Nickl. „Darüber hinaus prüfen wir die Option, einen erheblichen Teil der Erlöse für Aktienrückkäufe einzusetzen.“ So will sich Bayer vom Geschäft mit Tiergesundheit sowie in der Sparte für rezeptfreie Medikamente von bestimmten Haut- und Fußpflegeprodukten trennen.
Bereits Ende November hatten die Leverkusener den Verkauf des Geschäfts mit Tiergesundheit sowie der 60-prozentigen Beteiligung am deutschen Chemiestandort-Dienstleister Currenta angekündigt. Zudem stehen im zuletzt trägen Geschäft mit rezeptfreien Medikamente die erst vor wenigen Jahren vom US-Konzern Merck teuer gekauften Bereiche Sonnenschutz mit der Marke Coppertone und Fußpflege mit der Marke Dr. Scholl's zur Disposition.
Bei den zur Wochenmitte vorgestellten mittelfristigen Bayer-Zielen wurden diese Verkäufe nicht berücksichtigt. In Summe dürften diese Bereiche laut Bayer 2018 insgesamt einen Umsatz von rund 3,1 Milliarden Euro generieren. Die Analysten der US-Bank JPMorgan halten laut einer aktuellen Studie Verkaufserlöse von rund 9 Milliarden Euro für denkbar.
Die Veräußerungen sind Teil eines Programms zur Steigerung der Effizienz, was der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationskraft zugute kommen soll. Die Maßnahmen umfassen aber auch einen herben Personalabbau von rund 12.000 der 118.200 Arbeitsplätze. Ein signifikanter Anteil der Kürzungen wird Deutschland betreffen. „Es wird ein Programm 57+ geben, wonach Bayer-Beschäftigte mit 57 Jahren in den Ruhestand gehen können“, sagte Oliver Zühlke, Chef des Bayer-Gesamtbetriebsrats, der „Rheinischen Post“. Das sei für langjährige Beschäftigte „äußerst attraktiv“. Für Mitarbeiter, die nicht die abschlagsfreie Rente mit 63 nutzen könnten, müsse Bayer Verluste bei der betrieblichen und gesetzlichen Rente ausgleichen, forderte Zühlke. „Das wird Bayer einiges kosten“, sagte der Betriebsratsvorsitzende. Ein Bayer-Sprecher sagte auf Anfrage: „Die Gespräch laufen noch.“
Bis März 2019 sollen die Mitarbeiter den Angaben zufolge Klarheit darüber haben, wie viele der weltweit 12.000 zum Abbau vorgesehenen Stellen in Deutschland wegfallen. „Darüber beraten wir noch. Im Pharmabereich, wo man seit Langem verhandelt, wird das schnell feststehen. In den anderen Bereichen wohl bis März 2019“, sagte Zühlke, der zugleich stellvertretender Aufsichtsrats-Chef ist. Bayer-Vorstandschef Werner Baumann hatte gesagt, der Stellenabbau werde „einen bedeutenden Anteil an Arbeitsplätzen in Deutschland betreffen, aber nicht die Mehrzahl der 12.000 Stellen“. Der Abbau soll sozialverträglich erfolgen.
Ein weiterer Baustein des Konzernumbaus ist die Neuausrichtung des wichtigen Pharmageschäfts. Der Konzern will interne Forschungskapazitäten reduzieren und dafür mehr Geld in Gemeinschaftsprojekte mit Partnern und in externe Innovationen stecken.
Als Beispiel für künftige Kooperationen könnten die Zusammenarbeit mit dem US-Biotechunternehmen Loxo Oncology dienen. Beide Unternehmen entwickeln bereits das Krebsmittel Larotrectinib gemeinsam, das jüngst in den USA zugelassen wurde. Analysten wie Wimal Kapadia von Bernstein Research sehen solche Kooperationen und Lizenzkäufe als fast schon unabdingbar für den Dax-Konzern, da gegen Mitte des kommenden Jahrzehnts bei wichtigen Medikamenten Patente auslaufen und neue Wachstumstreiber notwendig sind.
Bei den Anlegern kamen die Mittelfristziele gut an: Der Kurs der Bayer-Aktie drehte zuletzt mit rund einem Prozent ins Plus, was einen der Spitzenplätze im Dax bedeutete. Im bisherigen Jahresverlauf zählen die Papiere allerdings mit einem Minus von mehr als einem Drittel zu den größten Verlierern im deutschen Leitindex. Der Grund sind Aktionärsängste wegen tausender Klagen in den USA, die sich um mutmaßliche Krebsrisiken durch den Unkrautvernichter Glyphosat drehen.
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