Bayer: Asiaten übernehmen Kovaltry-Produktion APOTHEKE ADHOC, 16.01.2020 14:46 Uhr
Bayer hat eine seiner Produktionsanlagen in Leverkusen an das Unternehmen WuXi Biologics verkauft: Kovaltry (Octocog alfa) könnte künftig mit WuXi als Back-up-Hersteller produziert werden. Die Einzelheiten des Vertrages stehen noch aus.
Die Vereinbarung zur Übernahme des Betriebs geht mit dem Kauf der dazugehörigen Ausrüstung in Verbindung mit einem langfristigen Mietvertrag für das Gebäude durch WuXi einher. Die Anlage soll zudem als Ersatzstandort für die Endproduktherstellung von Kovaltry (Octocog alfa) dienen. Hauptstandort bleibt jedoch weiterhin Berkeley in Kalifornien: Dort wird der Wirkstoff des Arzneimittels hergestellt und das Endprodukt abgefüllt. „Wir freuen uns, diesen Übernahmevertrag mit Bayer zu unterzeichnen, der uns einen schnellen Zugang zu qualitativ hochwertigen Arzneimittelproduktionskapazitäten und -möglichkeiten gibt“, sagte WuXi-CEO Dr. Chris Chen.
Das Unternehmen ist weltweit im Bereich der Entdeckung, Entwicklung und Herstellung von Biologika im Einsatz und hat bereits zahlreiche Produktionskapazitäten. Mit der Übernahme der neuen Produktionsanlage erhält WuXi die erste Anlage in Europa. „Unser Geschäft in der EU, den USA und China ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Diese zusätzliche Arzneimittelproduktionsanlage bestätigt unser Engagement im Rahmen unserer unternehmenseigenen Strategie.“
WuXi will seine weltweiten Kapazitäten weiter ausbauen: Im Juni verzeichnete der Konzern insgesamt 224 integrierte Projekte, darunter 106 Projekte in der vorklinischen Entwicklungsphase, 102 Projekte in der Frühphase (Phase I und II) der klinischen Entwicklung, 15 Projekte in der Spätphase (Phase III) der Entwicklung und ein Projekt in der kommerziellen Fertigung. Bis 2022 erwartet das Unternehmen eine Gesamtkapazität der biopharmazeutischen Produktion von über 280.000 Litern in China, Irland, Singapur und den USA.
Der genaue Produktionsvertrag wird derzeit noch ausgehandelt: Er soll die Grundlage für den zukünftigen Betrieb der Anlage als Back-up-Standort durch WuXi darstellen. Der Abschluss der Transaktion wird in den kommenden Monaten erwartet. Finanzielle Einzelheiten sind bisher nicht bekanntgegeben worden. Konkret handelt es sich um das Arzneimittel Kovaltry, welches den humanen rekombinanten Blutgerinnungsfaktor VIII enthält. Das Arzneimittel wird zur Behandlung der Hämophilie A, einem angeborenen Faktor-VIII-Mangel eingesetzt. Verabreicht wird der humane Blutgerinnungsfaktor VIII als Injektion.
Erst im vergangenen Jahr löste Kovaltry das bis dato vertriebene Kogenate (Octocog alfa) ab: Kovaltry sei laut Aussage von Bayer ein identischer Wirkstoff zur Behandlung der Bluterkrankheit mit verbesserten Wirkstoffeigenschaften. Das Faktor VIII Präparat Kogenate wird seit Mitte Oktober nicht mehr vertrieben. Erkrankte die bis zu diesem Zeitpunkt mit Kogenate behandelt wurden, können laut Bayer einfach auf Kovaltry umgestellt werden. Hierbei handele es sich um eine identische Injektionslösung, die sich lediglich im Herstellprozess unterscheidet. Das Präparat ist in den gleichen Dosierungen verfügbar.
Die Dosierung von Octocog alfa ist individuell, die zu verabreichende Menge wird durch Gerinnungstests bestimmt. Neben dem Gewicht des Patienten ist die Dosis auch vom Schweregrad der Gerinnungsstörung abhängig. Faktor VIII sollte über einen Zeitraum von zwei bis fünf Minuten intravenös injiziert werden. Die Injektionsgeschwindigkeit richtet sich nach dem Befinden des Patienten, wobei eine Injektionsrate von 2 ml pro Minute nicht überstiegen werden sollte.
Darüber hinaus erhielt Bayer im November 2018 die EU-Zulassung für Jivi (Damactocog alfa pegol). Es handelt sich um einen neuen rekombinanten Faktor VIII mit verlängerter Halbwertszeit. Die Herstellung erfolgt durch rekombinante Technologie ohne den Zusatz von menschlichen oder tierischen Bestandteilen. Diese wird durch eine spezifische PEGylierung erzielt. Somit kann die Injektionshäufigkeit gesenkt werden. Jivi bietet unter Beibehaltung der Injektionsfrequenz einen stärkeren Schutz gegenüber Kogenate und Kovaltry. Innerhalb der Prophylaxetherapie erfolgt eine Injektion einmal wöchentlich oder alle fünf Tage. Je nach klinischen Merkmalen des Patienten kann eine zweimal wöchentliche Gabe notwendig sein. Jivi ist zur Behandlung und Prophylaxe von Blutungen bei Hämophilie A für vorbehandelte Erwachsene und Jugendliche ab einem Alter von zwölf Jahren zugelassen.
Die Hämophilie ist eine X-chromosomal rezessiv vererbbare Erkrankung, bei der es aufgrund eines Mangels an Gerinnungsfaktoren zu einer Störung der Blutgerinnung kommt. In der Regel sind aufgrund des Erbganges nur Männer betroffen. Es handelt sich um die zweithäufigste angeborene Blutgerinnungsstörung. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Blut-Neigung“. Es werden zwei Formen der Erkrankung unterschieden: Hämophilie A (85 Prozent) und Hämophilie B (15 Prozent).
Die Blutgerinnung wird durch die aufeinander folgende Aktivierung von Gerinnungsfaktoren reguliert. Am Ende wird Thrombin gebildet, welches lösliches Fibrinogen in unlösliches Fibrin umwandelt. Bei der Hämophilie A fehlt der Faktor VIII, er gehört zum intrinsischen Teil der Gerinnungskaskade. Tritt bei Erkrankten eine Blutung auf, verläuft die Hämostase zunächst normal, ein erster Thrombozytenpfropf zum Wundverschluss wird gebildet. Dieser reißt jedoch aufgrund des beeinträchtigten intrinsischen Systems immer wieder auf. Die Blutung kann unbehandelt über Wochen anhalten. Die Blutungsneigung ist insgesamt erhöht, da kleinere Blutungen im Körper unbemerkt bleiben.
Bei mittelschwerer und schwerer Hämophilie A kommt es häufig zu Gelenkblutungen, die Folgen sind frühzeitige Arthrose und schmerzhafte Gehbehinderungen. Weiterhin wird die Lebensqualität durch die Anzahl der Injektionen gemindert. Der Alltag muss auf die Therapie abgestimmt werden. Viele körperliche Aktivitäten und gewisse Sportarten können nur begrenzt ausgeübt werden. In den Tagen zwischen den Injektionen der Faktorpräparate besteht zudem ein höheres Blutungsrisiko. Das Ziel einer jeden Therapie sollte daher sein, Blutungen dauerhaft zu verhindern. Heute haben Betroffene die eine Faktorbehandlung konsequent umsetzen, eine annähernd normale Lebenserwartung.