Die Firma Nelsons darf ihre Bachblütenmischung „Rescue“ weiter vertreiben – mindestens bis zum 19. Januar 2022. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Produkte als Lebensmittel trotz ihrer gesundheitsbezogenen Aussagen einen Bestandsschutz genießen.
Die Firmen Ayonnax Nutripharm und Bachblütentreff hatten Nelsons verklagt. Die Tochterfirma des gleichnamigen britischen Herstellers vertreibt ihre Produkte als Lebensmittel, aus Sicht der Konkurrenten sind die gesundheitsbezogenen Aussagen nicht von der Health-Claims-Verordnung gedeckt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Fall in Luxemburg zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es galt zu klären, ob die Bachblütenmischung mit einem Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent am Ende nur ein Schnaps ist: Als Getränk dürfte der Blütenextrakt nicht mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden.
Anders als Generalanwalt Michal Bobek machten es sich die Richter leicht: Weil die Produkte bereits vor 2005 im Handel waren, greift laut Urteil ein Bestandsschutz. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Rescue-Tropfen seinerzeit noch als Arzneimittel vertrieben und erst 2008 in ein Lebensmittel umgewidmet wurden: Solange es sich um dieselbe physische Form mit derselben Handelsmarke handele, dürften diese Produkte ebenfalls bis 2022 vertrieben werden.
Mit der Frage, wie die Produkte dann einzustufen sind, wollten sich die Richter nicht befassen. Bobek hatte noch ausgeführt, dass die Bachblüten kein alkoholisches Getränk im Sinne der EU-Verordnung sind. Trotz des Ethanolgehalts von 27 Volumenprozent sei wegen der geringen Mengen und der Art der Applikation – Eintropfen in den Mund, Mischung mit anderen Flüssigkeiten oder Versprühen – keine Rauschwirkung zu erwarten. Aus diesem Grund würden in den Erwägungsgründen zur Richtlinie flüssige Nahrungsergänzungsmittel, die mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol enthalten, auch nicht als „Getränke“ angesehen.
Dass Rescue-Tropfen im technischen Sinne „alkoholische Getränke“ seien und entsprechend als „Spirituosen“ gekennzeichnet würden, ändere daran nichts: „Es gibt nämlich keinerlei besondere Regelungen für eine Koordinierung oder Verwendung gemeinsamer Definitionen im Verhältnis zwischen den beiden Verordnungen“, hieß es in den Schlussanträgen.
Was die Marke „Rescue“ angeht, sah Bobeck zwar keine Notwendigkeit des unmittelbaren wissenschaftlichen Nachweises. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinie müsste der Hersteller seinen Verweisen jedoch „spezielle“ gesundheitsbezogene Angaben beifügen. Diese wiederum müssten durch wissenschaftliche Nachweise belegt sein. „Somit müssen Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile stets, zumindest mittelbar, durch wissenschaftliche Nachweise belegt sein“, so der Generalanwalt. Dabei kommt es aus seiner Sicht auch nicht darauf an, dass die Liste der Health Claims noch nicht abschließend erstellt wurde: Ein zeitlicher Bezug sei nirgends vorgesehen.
Fünf Jahre hat Nelsons nun noch Zeit, sich über seine Produkte Gedanken zu machen. Bachblüten haben unter den Stimmungsaufhellern eine führende Position in Deutschland: Nach einem rasanten Wachstum in den vergangenen Jahren haben die Mischungen einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtvolumen von 30 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP). Auf die Hälfte kommt Nelsons mit seinen Produkten; die Marke Rescue ist mit jährlichen Umsätzen von 400.000 Euro von untergeordneter Bedeutung. Das Geschäft im Großraum Nordeuropa betreut in Hamburg Martin Schellmann.
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