Bachblüten

Rescue: Kein Schnaps, sondern Schnäpschen Mimoza Troni, 23.06.2016 11:29 Uhr

Berlin - 

Darf ein Produkt dem Verbraucher Rettung versprechen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof (EuGH). Es geht um die Bachblütenmischung „Rescue“ von Nelsons, die der Konkurrent Ayonnax Nutripharm für irreführend hält. Generalanwalt Michal Bobek vertritt die Auffassung, dass auch allgemeine gesundheitsbezogene Aussagen zumindest mittelbar belegt sein müssen. Rescue genießt aus seiner Sicht aber einen Bestandsschutz.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Fall in Luxemburg zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es gilt zu klären, ob die Bachblütenmischung mit einem Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent am Ende nur ein Schnaps ist: Als Getränk dürfte der Blütenextrakt nicht mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden. So steht es in der Health-Claims-Verordnung.

Bobek vertritt den Standpunkt, dass die Bachblüten kein alkoholisches Getränk im Sinne der EU-Verordnung sind. Trotz des Ethanolgehalts von 27 Volumenprozent sei wegen der geringen Mengen und der Art der Applikation – Eintropfen in den Mund, Mischung mit anderen Flüssigkeiten oder Versprühen – keine Rauschwirkung zu erwarten. Aus diesem Grund würden in den Erwägungsgründen zur Richtlinie flüssige Nahrungsergänzungsmittel, die mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol enthalten, auch nicht als „Getränke“ angesehen.

Dass Rescue-Tropfen im technischen Sinne „alkoholische Getränke“ seien und entsprechend als „Spirituosen“ gekennzeichnet würden, ändere daran nichts: „Es gibt nämlich keinerlei besondere Regelungen für eine Koordinierung oder Verwendung gemeinsamer Definitionen im Verhältnis zwischen den beiden Verordnungen“, heißt es in den Schlussanträgen.

Was die Marke „Rescue“ angeht, sieht Bobeck keine Notwendigkeit des unmittelbaren wissenschaftlichen Nachweises. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinie müssen diesen Verweisen jedoch „spezielle“ gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sein. Diese wiederum müssen durch wissenschaftliche Nachweise belegt sein. „Somit müssen Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile stets, zumindest mittelbar, durch wissenschaftliche Nachweise belegt sein“, so der Generalanwalt. Dabei kommt es aus seiner Sicht auch nicht darauf an, dass die Liste der Health Claims noch nicht abschließend erstellt wurde: Ein zeitlicher Bezug sei nirgends vorgesehen.

Nelsons muss sich trotzdem keine Sorgen machen. Denn laut Richtlinie gilt ein Bestandsschutz – und der greift laut Generalanwalt auch für Rescue. Zwar war das Produkt 2005 noch als Arzneimittel auf dem Markt und erst 2007 nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg in ein Lebensmittel umgewidmet worden. Solange es sich aber um dieselbe physische Form mit derselben Handelsmarke handele, seien diese Produkte nicht ipso facto vom Bestandsschutz ausgeschlossen.

Bachblüten haben unter den Stimmungsaufhellern eine führende Position in Deutschland: Nach einem rasanten Wachstum in den vergangenen Jahren haben die Mischungen einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtvolumen von 30 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP). Auf die Hälfte kommt Nelsons mit seinen Produkten; die Marke Rescue ist mit jährlichen Umsätzen von 400.000 Euro von untergeordneter Bedeutung. Das Geschäft im Großraum Nordeuropa betreut in Hamburg Martin Schellmann.