Verträge zwischen Ärzten und der Pharmaindustrie haben einen zweifelhaften Ruf. Auch wenn die Vereinbarungen harmlos klingen, wecken hohe Honorarzahlungen für nur vage umschriebene Gegenleistungen den Verdacht auf unerlaubte Einflussnahme. APOTHEKE ADHOC liegen Beraterverträge vor, die der Hersteller AWD Pharma mit Ärzten geschlossen hat. Für die Beratung der Teva-Tochter bei der Vermarktung ihres Top-Sellers Katadolon (Flupirtin) kassierten die Mediziner mehr als 50.000 Euro. AWD spricht von Einzelfällen und rechtfertigt die Beraterverträge.
Laut Vertrag berät der Arzt den Hersteller zu „Fragen der Bewerbung von Katadolon S long und anderen Schmerzprodukten“ sowie zu wissenschaftlichen Studien. Die „Berater“ sollen dem Konzern ihre besondere Sachkenntnis, Erfahrung und Marktinformationen zur Verfügung stellen.
In fast allen Vertragspunkten ist von einer „wissenschaftlichen Beratung“ die Rede, etwa bei der „Konzeption und Durchführung von klinischen Studien, nicht-interventionellen Studien (NIS) und strukturierten Datenerhebung“. Welchen Part die Ärzte bei solchen Studien oder bei der Datengewinnung genau spielen, geht aus dem Vertrag nicht hervor. Gleiches gilt für die Mitarbeit bei Fortbildungen und Firmenveranstaltungen.
Die Ärzte sollen AWD Tipps zum Auftritt und zur Außenwirkung geben, ja sogar bei der Erstellung eines Marketingkonzepts zur Schmerztherapie bei Onkologen mitarbeiten. Außerdem sollen die Ärzte zur Vermarktung von AWD-Produkten beraten, inklusive der Aufnahme neuer Produkte in das Firmenportfolio.
Um jeden falschen Eindruck zu vermeiden, heißt es im Vertrag: „Trotz der vertraglichen Regeln bleibt der Berater in seinen Entscheidungen und Handeln frei und unterliegt den Grundsätzen ärztlicher Ethik.“ Die Therapie- und Versorgungsentscheidungen sollen in keiner Weise beeinflusst werden.
Die Vergütung für den Einjahresvertrag beträgt 10.000 Euro plus Mehrwertsteuer pro Quartal, im vierten Quartal gibt es den doppelten Betrag. Vorträge und die Leitung von Fortbildungen kann der Arzt extra in Rechnung stellen. Die Vertragspartner gehen von einem zusätzlichen Honorarvolumen von 9000 Euro aus. Der Arzt muss unterschreiben, das Geld ordnungsgemäß zu versteuern. AWD übernimmt darüber hinaus die Aufwendungen, Reisen müssen allerdings im Vorfeld mit dem Konzern abgestimmt werden.
AWD hat sich mit den Ärzten darauf geeinigt, über alle Vertragsinhalte und die im Rahmen der Vereinbarung gewonnen Informationen „unbedingtes Stillschweigen“ zu bewahren. Angestellte Ärzte in Krankenhäusern verpflichten sich aber, ihren Arbeitgeber über den Vertrag in Kenntnis zu setzen.
Der Hersteller bezeichnet die Verträge auf Nachfrage als „ein notwendiges und rechtlich zulässiges Instrument“ der pharmazeutischen Industrie. Die Unternehmen seien auf die Expertise der Fachleute angewiesen. „Wie andere Firmen auch hat die Firma AWD Beraterverträge mit Experten – wenn auch mit deutlich unter zehn Verträgen in geringem Umfang – eingesetzt.“
Auch die fünfstelligen Summen sind aus Sicht des Herstellers in Ordnung: „Die Frage der Honorierung dieser Verträge steht in angemessenem Verhältnis zur erbrachten Leistung und zum konkret nachgewiesenen Zeitaufwand“, betont ein Sprecher.
Teva dürfte als neuer Ratiopharm-Eigentümer in dieser Frage besonders sensibel sein: Der Ulmer Generikahersteller hatte in der Vergangenheit Ärzte incentiviert, damit diese verstärkt Ratiopharm-Produkte verordnen. Seit dem Skandal im Jahr 2005 ist der Konzern sehr um eine weiße Weste bemüht: Man nehme seit Jahren von sämtlichen vertriebsfördernden Maßnahmen Abstand, die von der Öffentlichkeit als unredlich empfunden werden könnten, so der Standardkommentar des Herstellers zu den ehemaligen Vertriebspraktiken.
Auch der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt sich mit der grundsätzlichen Frage, ob Ärzte bestechlich seien können. Umstritten ist dabei, ob Ärzte als Amtsträger oder Beauftragte der Krankenkasse zu bewerten sind.
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