„Kritische Kunden fallen ins Bodenlose“

Apotheken in Existenznot: Wer spannt den Rettungsschirm?

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Berlin -

Nach der Insolvenz beim Rechenzentrum AvP könnten zahlreiche Apotheken in Existenznot geraten. Überall laufen Gespräche mit Steuerberatern, Lieferanten und Banken. Einen Schutzschirm für solche Fälle gibt es nicht – noch weiß niemand, ob überhaupt noch Geld fließt. Im schlimmsten Fall drohen Insolvenzen.

Seit Tagen steht bei Steuerberater Stefan Kurth von der Kanzlei Schneider + Partner in Dresden das Telefon nicht mehr still. Bis spät in die Nacht spreche er mit verunsicherten AvP-Kunden. Bis gestern habe er noch gehofft, dass doch noch das Geld kommt, so Kurth. Mittlerweile könne er seinen Mandanten nicht mehr empfehlen, ihre Rezepte für September bei AvP abzurechnen.

Da die nächste Abholung der Rezepte dieses Monats am Freitag beginnt, empfiehlt er die sofortige außerordentliche Kündigung – hilfsweise die ordentliche Kündigung, die aber erst Ende des Jahres greift. Das Problem ist aus seiner Sicht auch die Abtretung der Forderungen aus den Rezepten an AvP – hier sollte jeder Kunde aktiv werden, wenn er nicht ohnehin fristlos kündigen will.

Auf die Apotheken, die noch auf ihr Geld warten, kommt laut Kurth unter Umständen ein erheblicher Liquiditätsengpass zu. Zwar sei der August nicht der stärkste Monat. Ausfälle von 200.000 Euro oder mehr könnten aber nur die wenigsten Apotheken verkraften – zumal viele ohnehin gerade durch die Corona-Krise gebeutelt sind und eine enge Liquidität haben. Bei großen Verbünden oder Gruppen gehe es sogar um siebenstellige Abrechnungsvolumina.

Gemeinsam mit seinen Mandanten spricht Kurth mit deren Lieferanten und Banken. Man versuche, die Situation zu erklären. „Noch klappt das ganz gut“, sagt er – wenn auch nur, weil es gar keine Alternative gebe. Derzeit spreche man über Überbrückungsmaßnahmen – auf Dauer sei das aber keine Lösung.

Und tatsächlich signalisiert die Apobank, dass sie ihren Kunden zur Seite steht: „Wir sind uns der Herausforderung bewusst, wenn es bei Apotheken zu zeitlichen Verzögerungen bei Zahlungsflüssen kommt“, so eine Sprecherin. „Wir sind als Standesbank für unsere Kunden da, wenn sie betroffen sind und sie Unterstützung benötigen. Vorstellbar sind Kreditlinien oder Überbrückungskredite.“

Bei der Abda beobachtet man die Entwicklung mit „großer Sorge“ – und diskutiere Konsequenzen, so ein Sprecher.

Kurth ist sich sicher, dass dies nicht jede Apotheke sich auf der sicheren Seite sehen kann. Denn selbst wenn Banken oder gar die KfW einspringen sollten, gehe es am Ende um Kredite, für die man Sicherheiten vorweisen müssen und die auch irgendwann zurückbezahlt werden müssten. Nicht jede Apotheke könne aber darauf vertrauen, dass ihr geholfen werde: „Gute Kunden wird man halten. Kritische Kunden fallen ins Bodenlose.“

In der vergangenen Woche hatte AvP die Abschlagszahlung nicht überwiesen, am Freitag kam die Ankündigung, das Geld sei unterwegs. Doch noch immer warten viele Kunden. Mittlerweile ist der Worst Case beim pirvaten Rechenzentrum eingetreten: Der von der Bankenaufsicht (BaFin) eingesetzte Sonderbeauftragte stellt Insolvenzantrag. Die Mitteilung der Behörde vom Mittwochmorgen ist knapp, aber unmissverständlich: „Die BaFin hat am 14. September 2020 Herrn Ralf R. Bauer als Sonderbeauftragten bei der AvP Deutschland GmbH eingesetzt. Sie hat ihm die alleinige Geschäftsführung übertragen. Der Sonderbeauftragte hat am 15. September 2020 einen Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht Amtsgericht Düsseldorf für die AvP Deutschland GmbH gestellt.“

 

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