AvP: Apotheker darf Auszahlung behalten Patrick Hollstein, 26.09.2024 13:44 Uhr
Der Vergleich mit dem Insolvenzverwalter sorgte bei den von der AvP-Pleite betroffenen Apothekerinnen und Apothekern für eine herbe Enttäuschung: Gerade einmal 15 Prozent ihrer Forderungen wurden in den drei Tranchen beglichen, nun können sie nur noch auf die Schlusszahlung warten. Jetzt wird auch noch bekannt, dass ein Apotheker aus Bayern, der sich nicht auf das Angebot eingelassen hatte, einen Prozess gewonnen hat.
Das größte Problem im Zusammenhang mit der AvP-Pleite war, dass die Abrechnungen der Apotheken nicht als separates Vermögen qualifiziert, sondern alle Guthaben und Forderungen als Vermögenswerte des Rechenzentrums betrachtet wurden. Dass keine Aussonderungsrechte bestanden, hatte auch ein Gutachten des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR) ergeben, der den Vergleich mit ausgehandelt hat. Zuletzt hatte Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos den Vergleich noch einmal damit begründet, dass in den noch anhängigen Rechtsstreiten sämtliche Gerichte die Aus- oder Absonderungsrechte der Apotheken vollumfänglich abgelehnt hätten.
Angebot für „Abschlagsapotheken“
Eine Sonderrolle nahmen von Anfang an jene 800 Apotheken ein, die noch kurz vor der Insolvenz Geld erhalten hatten. Ihnen hatte Hoos zwar lang und breit erklärt, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) seinerzeit bereits – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – weitere Auszahlungen verboten hatte. Die Schwierigkeit bestand jedoch darin, dass Gläubiger laut Insolvenzrecht nur dann zur Rückzahlung verpflichtet sind, wenn sie von der Unrechtmäßigkeit der Zahlungen wussten. Und AvP-Chef Mathias Wettstein hatte sich bis zuletzt öffentlich mit technischen Problemen herausgeredet, argumentierten die betroffenen Apotheken.
Weil hier die Rechtslage also alles andere als eindeutig war, hatte Hoos dieser Gruppe deutlich großzügigere Angebot gemacht als den anderen Apotheken. Je nach Höhe des überwiesenen Abschlags und den noch offenen Forderungen variierten die Angebote; sie alle zeichneten sich aber dadurch aus, dass sie auf eine höhere Quote hinausliefen als im „regulären“ Vergleichsangebot. Auf bis zu 80 Prozent konnten die „Abschlagsapotheken“ kommen, wenn sie eine entsprechende Überweisung bekommen haben, deutlich mehr als die damals noch kolportierten 45 Prozent für die übrigen Apotheken. Attraktiv war auch, dass mit dem Deal der Prozess für diese Apotheken abgeschlossen wurde.
Abschlag nicht anfechtbar
Doch nicht alle Kolleginnen und Kollegen stimmten zu. Ein Apotheker aus Bayern ließ es zum Prozess kommen – und konnte sich durchsetzen: Das Landgericht Würzburg wies die Klage des Insolvenzverwalters auf Rückzahlung der ausgezahlten Beträge ab: Die seinerzeit veranlasste Zahlung unterliege nicht der Anfechtung gemäß § 131 Insolvenzordnung (InsO). Der seitens der BaFin erlassene Bescheid vom 10. September 2020 begründe keine Inkongruenz der vier Tage später veranlassten Zahlung.
Anfechtbar sind laut Vorschrift alle Zahlungen, die der Gläubiger „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte“, und die entweder
- im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden oder
- innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden und
- der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
- dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte
Hoos hatte die Sache in Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss durch eine externe Rechtsanwaltskanzlei prüfen lassen. „Diese Prüfung kommt zu dem Ergebnis, dass die am 11./14. September 2020 geleisteten Abschlagszahlungen anfechtbar sind. Als Insolvenzverwalter bin ich daher gesetzlich verpflichtet, diese Anfechtungsansprüche weiter zu verfolgen“, begründete Hoos seinerzeit sein Vorgehen.
3:1 für Insolvenzverwalter
Aktuell sind nur 15 Klagen anhängig. Insgesamt sind drei Urteile zu Gunsten des Insolvenzverwalters ausgegangen – und das Urteil des LG Würzburg gegen ihn. Wie viele der rund 800 Apotheken, die noch Überweisungen erhalten hatten, dem Vergleich nicht beigetreten sind und wie hoch ihre Forderungen sind, dazu wollte er auf Nachfrage keine Auskunft geben.
Hoos hatte erklärt, die gerichtliche Geltendmachung zunächst in einigen exemplarischen Fällen vorzunehmen. Das Vorgehen sei mit dem Gläubigerausschuss sowie den anwaltlichen Vertretern der Apotheken und dem Apothekerverband Nordrhein (AVNR) abgestimmt. Der AVNR hatte den Vergleich mit verhandelt und dafür zur Erstattung seiner Kosten eine halbe Million erhalten. Wie zufrieden man in Düsseldorf mit der erreichten Quote ist, wurde auf mehrfache Nachfrage nicht beantwortet.