Verdi beschuldigt Schlecker

"Atmosphäre der Angst" Désirée Kietzmann, 31.03.2008 15:48 Uhr

Berlin - 

Die Gewerkschaft verdi erhebt schwere Vorwürfe gegen die Mitarbeiterpolitik der Drogeriemarktkette Schlecker. Achim Neumann vom verdi-Bezirk Berlin-Brandenburg sagte gegenüber APOTHEKE ADHOC, in den Filialen herrsche eine „Atmospäre der Angst“. Gegenüber der „Bild am Sonntag“ hatte Neumann am Wochenende berichtet, wie bei Schlecker Detektive und Sicherheitskräfte durch Lochwände teils stundenlang die Angestellten in den Verkaufsräumen ausspähten und überwachten.

Während früher eine hohe Zahl an Angestellten die Aufsicht über die Geschäftsräume übernommen habe, hingen heute Überwachungskameras: „Die Technik ersetzt die Mitarbeiter“, sagte Neumann. Neben Diebstählen könnten dabei auch Leistung und Verhalten der Angestellten überwacht werden. Die Discountbetreiber interessieren sich nach Neumanns Auffassung vor allem dafür, wie gewerkschaftsnah ihre Mitarbeiter sind. Nach verdi-Erfahrungen geht Schlecker nicht in erster Linie gegen Beschäftigte, sondern gegen Betriebsratsorgane vor: Bereits im Dezember 2006 hatte das Landgericht Marburg mehrere Schlecker-Bezirksleiter unter anderem wegen versuchter Nötigung verurteilt: Ihnen war vorgeworfen worden, im Vorfeld einer Betriebsratsgründung Mitarbeiter massiv unter Druck gesetzt zu haben.

Anders als im Fall der Mitarbeiterüberwachung durch die Einzelhandelskette Lidl, zu dem mittlerweile hunderte Seiten interner Protokolle vorlägen, gebe es bei Schlecker bisher nur Mitarbeiterberichte, sagte Neumann gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die Beweisführung sei schwierig, da sich die Angestellten aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes häufig vor verbindlichen Aussagen scheuten.

Bereits in der vergangenen Woche hatte Schlecker negative Schlagzeilen gemacht und war mit ihrer Versandapotheke Vitalsana wegen der Werbung mit erfundenen unverbindlichen Preisempfehlungen in der Branche und bei Verbraucherschützern in die Kritik geraten. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) sieht in den verdi-Vorwürfen einen weiteren Grund, "solchen Vertriebsformen nicht die Versorgung mit Arzneimitteln anzuvertrauen". Wer sein Geschäft in einem Klima der Angst betreibe, könne nicht das Vertrauen von Verbrauchern und Patienten für das hochsensible Gut Arzneimittel gewinnen, so der AVWL-Vorsitzende Dr. Klaus Michels. "Solche Ketten sind eher eine Gefahr für Leib und Leben."

Vitalsana muss „Hausaufgaben machen“
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