Atacand geht an Cheplapharm APOTHEKE ADHOC, 09.10.2018 14:12 Uhr
Cheplapharm war wieder auf Einkaufstour: Der Mittelständler aus Greifswald hat die Vertriebsrechte für gleich mehrere Produkte von Astra Zeneca und Bristol-Myers Squibb (BMS) gekauft. Schon in diesem Quartal erwartet das Familienunternehmen dadurch einen Umsatzsprung.
Cheplapharm arbeitet weiter kräftig an seinem Wachstum: In 28 europäischen Märkten vertreibt das pommersche Unternehmen künftig Atacand (Candesartan Cilexetil) und Atacand Plus (Candesartan Cilexetil und Hydrochlorothiazid). Der selektive AT1-Subtyp-Angiotensin-II-Rezeptor wurde von Astra Zeneca in Zusammenarbeit mit Takeda entwickelt und dient der Behandlung von Herzinsuffizienz und Bluthochdruck. Der japanische Konzern vertreibt Candesartan unter der Marke Blopress.
AstraZeneca zufolge hat Cheplapharm 200 Millionen US-Dollar zuzüglich einer zeitgebundenen Zahlung von 10 Millionen Dollar und Meilensteinzahlungen hingelegt. Der globale Umsatz von Atacand und Atacand Plus beträgt demzufolge 300 Millionen Dollar im Jahr, davon 86 Millionen in Europa. Die Erwartungen an das Geschäft scheinen hoch: „Diese Investition wird bereits im vierten Quartal 2018 einen deutlich positiven Beitrag zu unserem Betriebsergebnis leisten“, prognostizierte Geschäftsführer Sebastian F. Braun. „Darüber hinaus passt diese Vereinbarung perfekt zum Ausbau und Stärkung unserer europäischen Markenprodukte und Länderpräsenz.“
Hierzulande wurde Atacand laut Arzneiverordnungsreport (AVR) 2016 noch 30.000 Mal auf Kassenrezept verschrieben, der Umsatz beläuft sich auf 755.000 Euro. Atacand Plus kommt auf 20.000 Verordnungen und 660.000 Euro. Dazu kommen Privatrezepte. Das Patent war 2012 abgelaufen, seitdem haben Generika das Altoriginal weitgehend verdrängt.
Ähnliche Hoffnungen verbindet Braun wohl mit den Produkten, die Cheplapharm kurz darauf von BMS gekauft hat. Dabei handelt es sich um den Cholesterinsenker Questran und das kurz drauf erworbene Produktpaket aus Fungizone, Vepesid und Etopophos. Questran (Colestyramin) wird vor allem bei PatientInnen mit primärer Hypercholesterinämie eingesetzt, um das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen zu verringern.
Bei Fungizone, Vepesid und Etopophos handelt es sich um drei globale, hochpreisige Nischenprodukte. Fungizone (Amphotericin B) wird zur Behandlung von schwer kranken und immungeschwächten Patienten mit fortschreitenden, potenziell lebensbedrohlichen Pilzinfektionen angewendet. Vepesid (Etoposid) und Etopophos (Etoposid-Phosphat) werden hauptsächlich zur Behandlung von Tumoren und zur Bekämpfung von Leukämie eingesetzt.
In mehreren strategisch wichtigen Märkten, allen voran dem französischen, wolle Cheplapharm so seine Präsenz verstärken, erklärte das Unternehmen. „Das Produktpaket leistet einen wesentlichen Beitrag zur künftigen Diversifizierung unseres globalen Portfolios und bestätigt damit erneut unsere erfolgreiche Buy-And-Build Strategie“, drückt Braun es aus. Insgesamt werde Cheplapharm in diesem Jahr laut Braun an die 500 Millionen Euro in neue Produkte investieren. Dabei würden alle Aufwendungen ohne Fördermittel oder öffentliche Bürgschaften auskommen. Außerdem schaffe der Ausbau des Standortes in Greifswald rund 80 neue Arbeitsplätze.
Der Mittelständler aus Mecklenburg-Vorpommern kauft regelmäßig den großen Pharmakonzernen Altoriginale ab. So hatte er bereits eine ganze Reihe an Arzneimitteln von Roche erworben: 2016 Xenical (Orlistat), Dilatrend (Carvedilol) und Anexate (Flumazenil), bereits 2012 Rohypnol (Flunitrazepam) und Vesinoid (Tretionin). Auch von AstraZeneca hatte Cheplapharm bereits 2010 Distraneurin/Heminevrin (Clomethiazol) gekauft. So ziemlich jeder große Hersteller hat bereits Geschäfte mit der Familie Braun gemacht, neben Roche auch Wyeth, Boehringer Ingelheim, Sanofi, Merck, UCB, Servier, GlaxoSmithKline, Grünenthal, Lilly, Medice und Procter & Gamble.
Cheplapharm mit Hauptsitz in Greifswald hat rund 170 Mitarbeiter und hatte 2017 einen Jahresumsatz von 223 Millionen Euro. Für 2018 peilt es einen Umsatz von 310 Millionen Euro an. Das Unternehmen wurde 1998 von Kurt Teubner in Freiburg gegründet. Er sprach einen ehemaligen Kollegen an: Norbert Braun hatte 1992 gemeinsam mit seiner Frau Dagmar den aus dem Friedrich-Loeffler-Institut hervorgegangenen Tierarzneimittelhersteller Riemser aus der Treuhand-Masse übernommen.
Das Paar überließ Teubner einige Produkte, die damals nicht zu Riemser passten. Dazu gehörte das homöopathische Mittel Cheplaren, das gleich zum Namensgeber wurde. Mit 65 Jahren zog sich Teubner zurück und überließ seinen bisherigen Partnern die Firma. Noch im selben Jahr wurde der Firmensitz nach Mesekenhagen bei Greifswald verlegt. Während sich die Eltern um die Expansion von Riemser kümmerten, übernahm Sebastian Braun die Geschäftsführung bei Cheplapharm.
Braun verfolgt eine sogenannte „Buy and Build“-Strategie: Produkte kaufen, für die andere Hersteller keine Verwendung mehr haben – vor allem Altoriginale, die zwar weniger in Deutschland, dafür aber im Ausland nachgefragt werden. Damit wurde Cheplapharm zu einem der wachstumsstärksten Pharmamittelständler in Europa. In deutschen Apotheken ist das Unternehmen vor allem als OTC-Anbieter bekannt: Gelusil Lac wurde im Juni 2008 von Johnson & Johnson übernommen, Baldrian dispert wurde im April 2009 von Remedica, Thüringer Arnikatinktur 2011 von Klosterfrau sowie Reisegold und Halbmond im September 2013 von Teva übernommen. Insgesamt hat das Unternehmen so über 80 Akquisitionen abgeschlossen, deren Gesamtwert laut eigenen Angaben bei mehr als einer Milliarde Euro liegt.