Tue Gutes und sprich darüber – dieses Motto gilt auch für Arzneimittelhersteller. Bayer hatte bei Aspirin jahrzehntelang nichts zu erzählen; andere Wirkstoffe haben dem Klassiker daher sukzessive den Rang abgelaufen. Im vergangenen Juli brachte der Konzern „Aspirin 2.0“ in die Apotheken. Flankiert wurde der Relaunch durch eine teure Werbekampagne. Die ersten Erfolge können sich sehen lassen: Die Talfahrt konnte gestoppt werden – zumindest vorerst.
Das neue Aspirin wirkt laut Studien doppelt so schnell wie das herkömmliche Präparat. Grund sind 90 Prozent kleinere Wirkstoffkristalle sowie der Zusatz des Zerfallsbeschleunigers Natriumcarbonat, der eigentlich bei Brausetabletten eingesetzt wird. In der Folge lösen sich die Filmtabletten sechsmal schneller im Magen auf. „Das ist ein ganz toller Meilenstein in der Geschichte von Aspirin“, sagte OTC-Chef Stefan Meyer anlässlich der Markteinführung.
Für Bayer war der Relaunch aber nicht nur pharmazeutisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich dringend geboten. Zwar ist Aspirin nach Konzernangaben mit Erlösen von 441 Millionen Euro weltweit vor Thomapyrin (Boehringer Ingelheim) und Dolormin (McNeil/J&J) nach wie vor Marktführer nach Umsatz bei den OTC-Analgetika. Doch das Geschäft ist seit Jahren rückläufig.
Hierzulande sanken die Abverkäufe der Tabletten zwischen 2008 und 2013 um ein Viertel. Die Brausetabletten büßten sogar ein Drittel ein. Mehr als jede dritte verkaufte Aspirin-Packung entfällt auf den Klassiker, fast jede zweite auf Aspirin plus C. Granulat, Kautabletten und die Coffein-haltige Variante sind von untergeordneter Bedeutung. Nicht berücksichtigt ist dabei das Grippemittel Aspirin complex, das zusätzlich Pseudoephedrin enthält.
Dank des Relaunchs konnte im vergangenen Jahr zumindest bei den Tabletten die Entwicklung gestoppt werden: Nach Zahlen von Insight Health kletterten Umsatz und Absatz um 3 beziehungsweise 2,4 Prozent. Das entspricht 4,2 Millionen Packungen im Wert von 25,6 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP). Die Brausetabletten sackten dagegen um 14 Prozent auf 5 Millionen Packungen beziehungsweise 11 Prozent auf 42 Millionen Euro ab.
Auf die neu eingeführten Filmtabletten entfielen 1,6 Millionen Packungen im Wert von 9,1 Millionen Euro. Die alte Tablette kam noch auf 2,6 Millionen Packungen im Wert von 16,5 Millionen Euro. Allerdings sind in den Zahlen für das Gesamtjahr fünf Monate enthalten, in denen das neue Produkt noch gar nicht auf dem Markt war – seit Juli dürfte der Aufwärtstrend deutlich ausgeprägter gewesen sein. Die alte Tablette machte zuletzt nur noch 10 Prozent der Abverkäufe aus und ist aus den meisten Apotheken bereits verschwunden.
Noch deutlicher wird der Erfolg im laufenden Jahr: In den ersten drei Monaten wurden von den Tabletten knapp 1,1 Millionen Packungen im Wert von 6,7 Millionen Euro verkauft, das entspricht einem Zuwachs von 24 beziehungsweise 22 Prozent. Ein Grund dürfte allerdings die ausgeprägte Erkältungswelle gewesen sein, denn auch die Brausetabletten legten um 6 Prozent auf 1,4 Millionen Packungen beziehungsweise 7 Prozent auf 11,8 Millionen Euro zu.
Für die Verjüngungskur hatte Bayer tief in die Tasche gegriffen: Auf mehr als 15 Millionen Euro summierten sich laut Nielsen alleine im vergangenen Jahr die Bruttoaufwendungen für die Einführungskampagne, die zum Großteil in TV-Spots und Plakate geflossen sind. In diesem Jahr hält der Konzern seinen Werbedruck aufrecht.
Bei Bayer ist man mit der Entwicklung zufrieden: „Die Nachfrage gestaltet sich aktuell sehr positiv. Wir erhalten von Apothekenpersonal und Kunden sehr viel positives Feedback zur neuen Aspirin-Tablette“, sagt Meyer. Innovationen würden heutzutage von Herstellern erwartet. Das neue Aspirin werde als weitere Innovation der Marke sehr aktiv von den Kunden in den Apotheken nachgefragt.
Die im März bei „Spiegel online“ vorgetragene Kritik, dass die neue Galenik nicht nur zu einer schnelleren Freisetzung, sondern auch zu höheren und damit potenziell schädlichen Plasmaspiegeln führe, lässt der OTC-Chef nicht gelten: Pharmakokinetische Studien hätten ergeben, dass die Wirkstoffkonzentration im Blut nach Einnahme der neuen Aspirin-Tablette in gleicher Größenordnung liege wie nach Einnahme der Brausetabletten, so Meyer. Deren Sicherheitsprofil unterschiede sich trotz der hohen Plasmaspiegel nicht von dem anderer ASS-Darreichungsformen.
„Besondere“ Sicherheitsuntersuchungen, beispielsweise endoskopische Studien, seien daher nicht durchgeführt worden. „In den von uns durchgeführten doppelblinden, placebo-kontrollierten klinischen Studien wurden selbstverständlich auch Sicherheitsdaten erfasst. Die Verträglichkeit (gemessen an Hand der Häufigkeit unerwünschter Ereignisse) der neuen Aspirin Tablette unterschied sich hierbei nicht von der der bisherigen Tabletten.“
Aspirin wurde 1899 zunächst als Pulver eingeführt, ein Jahr später als Tablette. 1971 kam in Deutschland die Brausetablette Aspirin Plus C auf den Markt, 1992 folgte die Kautablette Aspirin Direkt. 2000 launchte Bayer Aspirin Migräne, 2001 die Brausetablette Aspirin Akut, 2003 Aspirin Complex und das Granulat Aspirin Effect.
Die neue Darreichungsform ist in den USA seit 2012 auf dem Markt und wurde zuletzt außerdem in Italien und in Mexiko eingeführt. Sukzessive soll jetzt die Produktion für weitere europäische und lateinamerikanische Staaten anlaufen.
In Deutschland geht der Trend seit einigen Jahren zu Ibuprofen, während ASS und Paracetamol verlieren. Der Versandanteil liegt bei den vergleichsweise teuren Präparaten mit ASS plus Vitamin C mit rund 14 Prozent besonders hoch, genauso wie bei ASS plus Coffein. Die Einführung einer 80er-Packung könnte auch bei der Aspirin-Tablette zu einer Verschiebung führen. Bayer hatte im Zuge der Neueinführung auch die Preise angehoben.
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