Erkältungsmittel

Aspirin complex: Werbung statt Ware

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Berlin -

Bei Bayer weiß die rechte Hand offenbar nicht, was die linke tut. Vor zwei Wochen hat der führende OTC-Hersteller die Apotheken über einen Engpass bei Aspirin complex informiert. Jetzt verschickt der Hersteller aus Leverkusen Werbematerial genau für das Produkt, das pünktlich zum Start der Erkältungssaison wohl eine längere Zeit fehlen wird. Was ist los in Leverkusen?

PKA und Apotheker staunten heute nicht schlecht, als die von Bayer versandte Ware die Apotheke erreichte. Der Lieferung lag ein Plakat unter dem Motto „Gesundheit“ bei. Abgebildet sind die Packungen von Aspirin complex (Acetylsalicylsäure/Pseudoephedrin) und Phytohustil (Eibischwurzel Trockenextrakt). Über allem steht der Slogan: „Aspirin complex und Phytohustil wirken bei einer Erkältung schnell und sind gut verträglich.“ Geliefert wurde keines der beiden Produkte. Das Plakat lag lediglich der Bestellung von Aspirin plus C bei.

Es ist nicht das erste Mal, dass Bayer für eins seiner Produkte wirbt, das über einen längeren Zeitraum nicht lieferbar ist. Im Herbst 2016 informierte die Pressestelle zum Internationalen Tag der seelischen Gesundheit, dass das Johanniskraut-Präparat Laif gegen Depressionen hilft – die damals seit Monaten andauernden Lieferprobleme erwähnte der Konzern nicht.

Im Fall von Aspirin complex kündigte Vertriebsleiter Thorsten Kujath vor zwei Wochen an, dass es aufgrund „fortlaufender Korrektur- und Modernisierungsmaßnahmen am Produktionsstandort Bitterfeld“ in diesem Winter zu „vorübergehenden Produktionsengpässen“ kommen werde. Aus diesem Grund sei man gezwungen, alle Terminlieferungen von August bis Januar abzusagen. Andere Präparate seien nicht betroffen. Bereits Anfang August informierte der Bayer-Außendienst einzelne Apotheken über den drohenden Engpass. Wer konnte, bestellte noch rechtzeitig Ware. Mittlerweile sind die meisten Großhändler ausverkauft.

Der Ausfall des Komplexmittels könnte den Konzern teuer zu stehen kommen. Denn Aspirin complex zählt neben Grippostad (Stada) und Wick Medinait/Daymed (Wick) zu den größten Playern im Segment der Grippemittel: Die drei Marken teilen sich drei Viertel des Marktes. Von Grippostad C werden 8,1 Millionen Packungen pro Jahr verkauft, von Aspirin Complex 5,5 Millionen Stück. Wick Medinait kommt auf 4,3 Millionen Einheiten, Wick Daymed auf rund 900.000. Fällt das Bayer-Präparat aus, springen die anderen ein. Auch mit Blick auf die Erkältungssaison 2019/20 könnte Bayer verlieren, denn kommt man in einem Jahr ohne ein Präparat aus, sinkt die Nachfrage womöglich dauerhaft.

Andere Granulate sind CeteGrippal plus Hustenstiller Heißgetränk (Paracetamol/Phenylephrin/Dextromethorphan, GSK), Wick DayMed Kombi Erkältungsgetränk (Guaifenesin/Paracetamol/Phenylephrin, P&G) oder Grippostad C Stickpack (Ascorbinsäure/Chlorphenaminmaleat/Coffein/Paracetamol, Stada).

Komplexmittel sind auch in anderen Darreichungsformen erhältlich. Beispiele sind das Direktpulver Geloprosed (Paracetamol/Phenylephrin) von Pohl Boskamp oder Wick DayMed Erkältungskapseln (Paracetamol/Phenylpropanol/Dextromethorphan), Boxagrippal (Sanofi), SpaltGrippal (Pfizer), DuoGrippal (P&G), Ratiogrippal (Ratiopharm) und Olytabs (J&J) mit Ibuprofen und Pseudoephedrin oder Rhinopront (Triprolidin/Pseudoephedrin) von Recordati.

Die Konkurrenz meldet keine Engpässe für die kommende Saison. „Wir werden mit Boxagrippal voll lieferfähig sein im Rahmen unserer diesjährigen Planung. Ob gegebenenfalls auftretende Lücken geschlossen werden können, müssen wir nach jeweiligen Mengenanfragen kurzfristig sehen“, teilt Sanofi auf Anfrage mit. Auch Recordati kann in vollem Umfang liefern.

Gute Nachrichten kommen auch von P&G: „Wick Daymed Erkältungsgetränk, dass aufgrund der Darreichungsform sicher Teile der Lücke schliessen kann, ist voll lieferfähig. Eine weitere gute Alternative ist Wick Duogrippal mit sehr ähnlichem Indikationsbereich. Auch hier sind wir voll lieferbar. Unsere absatzstärksten Produkte Wick MediNait und Wick Vaporub sind ebenfalls in vollem Umfang verfügbar und können über unseren Außendienst oder den pharmazeutischen Grosshandel bestellt werden.“

Mit Aspirin complex werden pro Jahr rund 60 Millionen Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) erzielt, das ist fast die Hälfte aller Erlöse der Marke Aspirin. Insgesamt kommt Bayer laut Insight Health auf Abverkäufe von rund 550 Millionen Euro und ist damit der führende OTC-Hersteller in Deutschland, vor GlaxoSmithKline, Ratiopharm, Sanofi, Hexal, Stada, Klosterfrau, Bionorica, Schwabe und Johnson & Johnson.

Der Konzern kämpft seit einiger Zeit mit Lieferproblemen. Noch bis Ende des Jahres ist außerdem ein kompletter Ausfall bei Aspirin i.v. 500 mg gemeldet. Grund sei ein „nicht vorhersehbarer Ausfall mehrerer Produktionsaufträge“, teilte Bayer im Frühjahr mit. Der Wirkstoff – D,L-Lysinacetylsalicylat Glycin – werde in „komplexen zeitlich hintereinander folgenden Produktionsaufträgen“ gefertigt, so Bayer weiter. Man arbeite „mit Priorität“ daran, die volle Lieferfähigkeit wieder herzustellen. „Trotz der intensiven Maßnahmen ist jedoch von längerdauernden Einschränkungen auszugehen.“

Bei Bepanthen wiederum gab es im vergangenen Jahr massive Lieferprobleme. Erst spurte ein neuer Salben/Creme-Mixer am Standort Grenzach nicht, sodass die Augensalbe über längere Zeit nicht ausgeliefert werden konnte. Kaum war der Engpass behoben und die Ware in vollem Umfang ausgeliefert, stand Bayer vor einem neuen Problem. Apotheken meldeten für die neu produzierten Chargen eine Phasentrennung. Der Konzern dementierte Qualitätsprobleme: Das so genannte Ausölen einer Komponente sei eine „bekannte physikalische Eigenschaft der weißen Vaseline“ und könne „grundsätzlich immer auftreten“.

2016 war Laif das Sorgenkind von Bayer. Es fehlte an Rohstoff, außerdem gab es immer wieder Probleme mit aufgequollenen oder aufgeplatzten Tabletten. Das Johanniskraut-Präparat kam ebenfalls mit Steigerwald zu Bayer; um die Probleme in den Griff zu bekommen, wurde später die Galenik überarbeitet. Zuletzt gab es Lieferausfälle bei Canesten, wie der Konzern im Bericht für das erste Quartal einräumte. In Deutschland sind die Probleme noch nicht virulent.

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