DocMorris prescht mit Aegate vor Lothar Klein, 31.03.2016 09:18 Uhr
Nicht nur mit Steuern und anderen Vorschriften gibt es beim grenzüberschreitenden Handel mit Arzneimitteln immer wieder Probleme. Ab 2019 kommt das Thema Arzneimittelsicherheit hinzu. Dann muss die EU-Fälschungsrichtlinie umgesetzt sein. DocMorris mit Firmensitz in Heerlen könnte dabei wieder einmal eine Sonderrrolle spielen: Statt auf Securpharm setzt die Tochter von Zur Rose auf den Konkurrenten Aegate, der zum Umgang mit den gewonnenen Daten eine andere Auffassung hat als die deutschen Projektpartner.
DocMorris liefert zwar den ganz überwiegenden Teil seiner Bestellungen nach Deutschland. Beim Thema Arzneimittelsicherheit schließt sich DocMorris aber nicht dem deutschen Securpharm-Projekt an. Die niederländische Versandapotheke kooperiert mit dem Dienstleistungsanbieter Aegate – nach eigenen Angaben ein „internationaler Experte für Arzneimittel-Authentifizierungen“. Aus Sicht von DocMorris ist das Aegate-System bereits weiter entwickelt als Securpharm und in Kürze einsatzbereit.
Mit Aegate schaffe DocMorris bereits heute die technischen Voraussetzungen für die spätestens ab Februar 2019 geforderte europaweite Echtheitsprüfung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln. „Damit wäre DocMorris als erste Versandapotheke in Europa in der Lage, die EU-Fälschungsschutzrichtlinie im Apothekenalltag umzusetzen“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.
Aegate habe einen „Demonstrator“ entwickelt, der die gesamte End-to-End-Authentifizierung vom Hersteller bis zur Apotheke zeige. Die Echtheitsprüfung zum Zeitpunkt der Abgabe erfolge durch die technische Anbindung an die Authentifizierungs-Plattform von Aegate, die die Vorgabe der Richtlinie in vollem Umfang erfülle und sowohl Offizin- als auch Versandapotheken an das europaweite Prüfsystem anschließen könne.
Bei Securpharm sieht man die Kooperation gelassen. „Die deutschen Stakeholder – ABDA, Phagro und Arzneimittelhersteller – haben sich eindeutig für Securpharm entschieden“, kommentiert Securpharm-Geschäftsführer Martin Bergen. Und dabei wird es wohl bleiben. Unter dem Securpharm-Dach läuft derzeit ein Pilotprojekt mit 400 Apotheken, 33 Arzneimittelherstellern und Phoenix als Großhändler. Mit von der Partie sind zudem die Pharmaverbände BPI, VFA und BAH. Außerdem denkt Progenerika über eine Rückkehr ins Securpharm-Team nach.
Zwar ist Wettbewerb beim Thema Arzneimittelsicherheit durch die EU-Richtlinie nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Aber die Hürden liegen hoch. Die EU-Richtlinie sieht vor, dass sich in allen EU-Staaten Apotheken, Herstellern und Großhändler wie bei Securpharm zusammenschließen und auf die Einführung einer bestimmten Technik einigen. Derzeit sind die Bertelsmann-Tochter Arvato, Solidsoft Reply und Aegate als technische Dienstleister anerkannt.
Um im deutschen Markt Securpharm Konkurrenz machen zu können, müsste Aegate ein zweites „Securpharm“ gründen – also ABDA, Phagro und die Pharmaverbände ebenfalls unter einen Hut bringen und einen zweiten Auftrag zur technischen Umsetzung der EU-Richtlinie erhalten. Angesichts der Investitionen der Securpharm-Beteiligten in die Technik von Arvato betrachten dies Marktkenner als so gut wie ausgeschlossen.
Branchenkenner sehen die Kooperation mit DocMorris als Versuch seitens Aeagte, in den Niederlanden mit seinem System Fuß zu fassen. Dort hat das britische Unternehmen im vergangenen Jahr eine Niederlassung aufgebaut, genauso wie in Spanien, Polen, Skandinavien, Tschechien, Frankreich und Deutschland. Hierzulande ist der ehemalige DocMorris-Chef Ralf Däinghaus verantwortlich, er ist auch Chief Strategy Officer von Aegate. Der Verifizierungsdienst der Briten ist bereits in Belgien, Italien und Griechenland aktiv.
Nach eigenen Angaben prüft Aegate bereits heute Tag für Tag 2,5 Millionen Transaktionen – in weniger als einer Viertelsekunde Reaktionszeit für den abgebenden Apotheker. Das britische Unternehmen hat danach mit seinem System in den letzten Jahren über 3,9 Milliarden Medikamentenverpackungen gescannt, die in Echtzeit auf der Unternehmenswebseite angezeigt werden. Branchenkenner bezweifeln allerdings, dass Aegate derzeit in der Lage ist, die Vorgaben der EU-Richtlinie lückenlos zu erfüllen.
DocMorris sieht in der Kooperation gleichwohl einen Fortschritt: „Als modernste Apotheke Europas ist es für uns selbstverständlich, dass wir auch Vorreiter bei der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie sind, um unseren Patienten höchstmöglichen Schutz beim Arzneimittelkauf zu bieten“, sagt Professor Dr. Christian Franken, Chefapotheker und Chief Pharmaceutical Officer bei DocMorris. „Das System von Aegate bietet auch bei unserer hohen Anzahl an Authentifizierungsabfragen höchste Sicherheit und lässt sich reibungslos in unsere bestehenden pharmazeutischen Prüfprozesse integrieren.“