Kein Boom beim Rx-Versandhandel Lothar Klein, 27.03.2017 13:17 Uhr
Seit dem EuGH-Urteil zur Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln versuchen DocMorris und Europa Apotheek, mit ihren Boni neue Kunden und Aufträge zu gewinnen. Auch wenn die Gemüter hochkochen und dringend eine politische Lösung gefordert wird: Analysen von QuintilesIMS zeigen, das es beim Rx-Versandhandel keinen Aufwind gibt. Wie bisher wird das Versandgeschäft vom OTC-Segment angetrieben – nicht Bonus-Boom, sondern die Erkältungswelle zeigt Wirkung.
Laut QuintilesIMS zeigen erste Analysen bis einschließlich Januar vor allem einen Trend: Der Rx-Versandhandel stagniert. Allerdings sei noch „eine gewisse Vorsicht bei der Interpretation der Marktzahlen geboten“, so die Experten: Aufgrund der geringen Zeitdauer sei noch nicht auszumachen, ob die Ergebnisse eine Kurzfristreaktion widerspiegelten oder aber den Beginn einer stabileren Entwicklung kennzeichneten. Allerdings korrespondieren die Zahlen mit Analysen, die der BKK Dachverband in seiner Stellungnahme zum geplanten Rx-Versandverbot vorgelegt hat. Auch aus der Branche heißt es, dass die Holland-Versender trotz massiver Werbung keinen exorbitanten Zulauf haben.
Im September wurden laut QuintilesIMS 621.000 Rx-Packungen über den Versandhandel abgegeben. Im Oktober stieg diese Zahl auf 666.000 Stück, im November auf 684.000 und im Dezember auf 685.000 Rx-Packungen. Damit war der Mini-Anstieg aber auch schon wieder vorbei: Im Januar sank der Rx-Absatz über den Versandhandel wieder auf 668.000 Packungen. Laut QuintilesIMS spiegeln diese Zahlen auch den Rx-Versand aus den Niederlanden nach Deutschland wider.
Im Jahr 2016 entfielen 93 Prozent von rund 113 Millionen versendeten Arzneimittel Packungen auf OTC-Produkte und nur 7 Prozent auf rezeptpflichtige Medikamente. Auf den Umsatz bezogen, stellen sich die Anteile etwas anders dar: 77 Prozent des Umsatzes von insgesamt zwei Milliarden Euro (Apothekenverkaufspreise (AvP), ohne Abzug jeglicher Rabatte) fallen auf rezeptfreie Arzneimittel oder freiverkäufliche Gesundheitsprodukte, die verbleibenden 23 Prozent auf rezeptpflichtige Präparate.
Gemessen am Apothekengesamtmarkt, also unter Einbeziehung von Vor-Ort-Apotheken und Versandhandel, entfällt auf das gesamte Bestellgeschäft ein Anteil von fast 8 Prozent nach Menge und knapp 4 Prozent nach Wert. Der Anteil des Rx-Versands am gesamten Rx-Apothekenmarkt beträgt je 1 Prozent nach Absatz und Umsatz. „Rezeptpflichtige Arzneimittel gehen also zu 99 Prozent in der Vorortoffizin über die Theke“, schreibt QuintilesIMS in seiner Analyse. Auf den OTC-Versand entfällt ein Anteil von 12 Prozent nach Menge und 15 Prozent nach Wert am gesamten OTC-Apothekenmarkt.
Zwischen Oktober und Januar legte der Versand von OTC-Arzneimitteln deutlich zu. Der Aufschwung hängt laut QuintilesIMS mit der ersten Erkältungswelle im Herbst zusammen. Der Absatz von Schnupfenmitteln sowie Husten- und Erkältungspräparaten, welche bei OTC-Präparaten die mengenmäßig führenden Kategorien bilden, stieg seit Oktober merklich an. Auch die Menge von Präparaten gegen Sodbrennen oder Augenleiden erhöhte sich, wenn auch auf niedrigerem Niveau.
Schwer zu beurteilen sei, ob die aktuelle Diskussion um ein Rx-Versandverbot einen Abstrahleffekt auf die gezeigten Mehrbestellungen bei OTC-Produkten habe, so QuintilesIMS. Der Anteil des OTC-Versandhandels habe sich Untersuchungszeitraum nur sehr geringfügig erhöht. Dies spreche eher gegen diese Überlegung, so die Marktforscher.