Hüffenhardt die Vierte. Wieder geht DocMorris als Verlierer vom Platz. Genau genommen die Tochterfirma Tanimis, die die Räume angemietet hat und die Versandapotheke bei der Abgabe am Arzneimittelautomaten auch darüber hinaus unterstützt. Geht nicht, fand das Landgericht Mosbach (LG) und untersagte die Beteiligung an dem Konstrukt.
Im ersten Prozess hatten die Vertreter von DocMorris zu Protokoll gegeben, dass die Versandapotheke nicht Mieter der Betriebsräume ist und dass ihr auch das Lager nicht gehört. Da der Tochterfirma Tanimis offenbar die gesamte Infrastruktur gehört, spricht aus Sicht des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg (LAV) viel dafür, dass die Tochterfirma ebenfalls auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen ist. Immerhin hatte nicht DocMorris, sondern das ebenfalls in Heerlen ansässige Unternehmen die Lagerung der Arzneimittel gegenüber dem Regierungspräsidium angezeigt.
LAV-Anwalt Dr. Timo Kieser von der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer wollte nach dem ersten Verhandlungstermin auf Nummer sicher gehen und beantragte auch gegen Tanimis eine einstweilige Verfügung. Schließlich wusste man damals noch nicht, ob DocMorris mit seiner Argumentation durchkommen würde.
Tatsächlich untersagte das LG jetzt Tanimis die Beteiligung an dem Konstrukt. Konkret wurde der Firma verboten, DocMorris bei der Abgabe von apotheken- und rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu unterstützen, die sich „zum Zeitpunkt der Initiierung des Abgabevorgangs […] nicht körperlich in den Räumen befinden, die von der Apothekenbetriebserlaubnis […] umfasst sind“.
Außerdem darf Tanimis nicht daran mitwirken, dass Patienten die Verfügungsgewalt über Arzneimittel erhalten, die vor Initiierung des Abgabevorgangs nicht der vorgeschriebenen „stichprobenartigen Prüfung im Wege einer Sinnesprüfung (sehen, tasten, riechen, hören und/oder schmecken)“ unterzogen wurden. Das gilt selbst dann, wenn sie – wie von DocMorris behauptet – zuvor am Standort in Heerlen geprüft und dann nach Hüffenhardt transportiert wurden.
Und schließlich darf Tanimis nicht dabei helfen, dass Arzneimittel an Patienten abgegeben werden, ohne dass das Rezept im Original vorliegt und vom pharmazeutischen Personal abgezeichnet wird. Auch müssten bei Unklarheiten eventuelle Änderungen auf dem Rezept vermerkt und diese unterschrieben werden.
Das LG nahm damit Tanimis wegen der Beihilfe bei – wettbewerbsrechtlich relevanten – Verstößen gegen das Arznei- und Apothekenrecht in die Pflicht. Die Gründe, warum die Abgabe am Terminal unzulässig ist, waren dieselben wie in den vorherigen Verfahren: Alleine der Umstand, dass die Arzneimittel über ein Videoterminal angefordert würden, mache deren Abgabe nicht zu einer Bestellung über den Versandhandel. Denn beim Versandhandel sei sich der Kunde bewusst, dass er einige Zeit auf den Erhalt des Bestellten warten müsse. Der Kunde in Hüffenhardt beabsichtige dagegen, das Medikament unmittelbar nach dem Bestellvorgang direkt zu erhalten, weil er davon ausgehe, dass es dort bereitgehalten werde.
Außerdem sei, wie bei einer Präsenzapotheke, der Kundenkreis der Abgabestelle in Hüffenhardt örtlich eingeschränkt, während der Versandhandel regelmäßig jedermann zur Verfügung stehe. Wettbewerbswidrig seien auch die Abgabe von Arzneimitteln, sofern sie nicht unmittelbar vor Initiierung des Abgabevorgangs einer Sinnesprüfung unterzogen würden, und die Abgabe ohne Abzeichnung des Rezepts.
Tanimis schulde den Unterlassungsanspruch, denn das Unternehmen handele „bewusst und gewollt“ mit DocMorris zusammen: Beide Firmen hätten im Einvernehmen ein Vertriebskonzept entwickelt und realisiert, damit Arzneimittel über einen Ausgabeautomaten an Verbraucher abgegeben werden könnten. Tanimis habe zu diesem Zweck die Erdgeschossräume in der Hauptstraße 45 in Hüffenhardt angemietet und beabsichtigt, die eigene technische Infrastruktur zum Zweck der Medikamentenausgabe an Verbraucher einzusetzen. Ein weiteres Indiz für ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken sei, dass DocMorris die Hard- und Software von Tanimis exklusiv nutze. Im Übrigen seien die vertretungsberechtigten Personen teilweise dieselben, beide Firmen seien am selben Ort in derselben Straße zu finden.
LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth freute sich über das Urteil: „Es hätte mich gewundert, wenn heute eine andere Entscheidung gefallen wäre. Der Tatbestand und die Verstöße gegen geltendes Recht liegen gleichermaßen vor – egal, wer dieses Terminal betreibt.“
DocMorris hatte am 19. April in der baden-württembergischen Gemeinde seinen Abgabeautomaten eröffnet. Zwar ließ das Regierungspräsidium Karlsruhe das Terminal nach nur 48 Stunden wieder schließen, doch die Klage der Versandapotheke gegen den Bescheid hatte aufschiebende Wirkung bezüglich der OTC-Abgabe.
Im wettbewerbsrechtlichen Verfahren hatten neben dem LAV auch drei Apotheker geklagt, die von der Noweda unterstützt werden, sowie der Kölner Apotheker Erik Tenberken. Aller Verfahren hatte DocMorris verloren, sie werden vermutlich ins Hauptsacheverfahren gehen. Parallel läuft der verwaltungsrechtliche Streit mit dem Regierungspräsidium. Hier hatte DocMorris einen Eilantrag auf Freigabe der Rx-Abgabe zurückgenommen.
Bei dem Streit in Baden-Württemberg geht es um nicht weniger als den Komplettumbruch des deutschen Apothekenmarktes. Wenn das Modell durchkommt, könnten genauso gut Mitarbeiter eines Drogeriemarkts oder Discounters als „menschliche Maschinen“ die Ware aus dem Lager holen und der pharmazeutischen Kontaktperson am Videobildschirm zur Kontrolle vorlegen. Auch der Apothekenbus könnte in einem solchen Szenario wieder aus der Garage gefahren werden. Die Apothekenpflicht wäre dann nur noch Makulatur – auch das Fremdbesitzverbot hätte in einem solchen Szenario ausgedient.
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